Dienstag, 20 April 2010#
T-1000 im Kampf gegen die Sonne
20. April Von Kota Bharu nach Kota Besut
Die Fahrt von Kota Bharu zum Hafen von Kota Besut ist ein Höllentrip. Kein Schatten, nur Sonne und wie immer viel Verkehr.
Dazu etwas Zeitdruck, denn die letzte Fähre setzt um 16:30 Uhr vom Festland auf die Insel über.
Das einzig schöne während der Fahrt: wenn keine Häuser die Sicht versperren, scheint ab und an das hellblaue Meer und der weiße Sandstrand durch die Palmen.
Dann wird mir wieder bewusst, wo ich eigentlich gerade mit meinem Rad rum fahre und dass das eigentlich ganz schön ist - hätte ich keine 50 Grad unterm Helm.
Bei der Rast im Schatten eines großen Baumes hupt und quäkt es munter um mich herum weiter.
Wie ich da so in der kleinen Holzhütte unterm Baum sitze und meine Wassermelone verspeise muss urkomisch aussehen.
Zumindest halten zahlreiche Roller in etwas Entfernung an oder verlangsamen beim Vorbeifahren ihr Tempo. Dann Beobachten / Glotzen, und zum Abschied ein Hupen, bevor sie dann weiter knattern.
Ein Roller fährt sogar ganz nahe an mich heran. “Good afternoon my friend!”. Ich hebe langsam meinen Blick und sehe zu meiner eigenen Überraschung ein westliches Gesicht.
Augenblicklich sind Gestik und Akzent analysiert und ich antworte schmunzelnd auf deutsch: “Guten Tag!”.
Volltreffer!
Eduard kommt aus Österreich und wohnt mit seiner Frau in Malaysia. Er gibt mir den Tipp, für die nächsten Kilometer einen Radweg zu nutzen. Dieser verläuft parallel zur lauten Hauptstraße und ist um einiges angenehmer.
Gesagt getan. Und ich rolle für gut eine Stunde gemütlich auf schattigen Wegen gen Süden.
Schneller als mir lieb ist geht’s wieder zurück auf die Schnellstraße und damit auch zurück in den alten Trott: alle paar Kilometer Kühl-Stop, Verschnaufpause, Moral machen. Dann weiterkämpfen.
Drei Kilometer vor dem Zielort dann der finale Hitze-Kollaps.
Zum Glück finde ich unweit der Straße ein Kiosk. Reichlich Eis, Notdusche mit gekühltem Wasser und ein Decken-Ventilator verhindern weiteres Zerschmelzen.
Dass ich dadurch die letzte Fähre verpasse ist mir gelinde gesagt schnurzpiepe.
Zwei Liter Wasser später fahre ich betont gemütlich der Abendsonne entgegen und finde sogar am Straßenrand kurz vor Kota Besut einen Durian-Verkäufer, wo ich meine wohlverdiente Belohnung überglücklich in die Tasche packe.
In Kota Besut empfangen mich die üblichen alten “Freunde”. Mofa-Taxi-Fahrer, die plötzlich aufgebracht und breit grinsend um mich herumfahren und mit den immergleichen Fragen bombadieren: “Hey Friend, where from? Where you go? Need Ticket? Need Hotel?” und so weiter.
Oft schreit auch jemand einfach laut auf, so dass ich erschrecke und manchmal sogar denke, dass mich wirklich jemand erkannt hat. Wäre nicht das erste Mal, dass ich irgendwo unerwartet auf alte Schulkameraden stoße (vorzugsweise aus der fünften bis siebten Klasse). “Mensch Christian, was machst Du denn hier?!…”
Während ich mich orientiere, beobachten mich mindestens zehn Augen auf frisierten Zweirädern.
Jetzt bloß keine Schwäche zeigen! Ich winke leicht lächelnd ab. Sie verfolgen mich jedoch weiter.
Das Dorf ist überschaubar: es gibt zwei Hotels, ein Gästehaus, zwei Cafés und den Hafen.
Sobald ich auch nur eine Andeutung mache, die Richtung zu einem der Hotels einzuschlagen, steht einer der Fahrer schon neben mir, quatscht mich mit irgendwas (!) voll und wartet darauf, mich ins Hotel zu begleiten.
Für Auseinandersetzungen fehlt mir jegliche Kraft.
Ich gucke daher “Freund 66” ruhig an, lächle und sage mit einer leichten Verbeugung: “Thank you my friend. I’m fine!”. Er lächelt zurück, wünscht mir einen guten Abend und fährt weg.
Auch die anderen lassen mich danach, wie durch einen magischen Zauber gebannt, in Ruhe.
Wer diese “Lästigkeit” nachempfinden möchte, kann sich im Sommer für eine halbe Stunde neben einen Altglascontainer in seiner Nähe stellen und versuchen, die Fliegen und Wespen zu verscheuchen. Dieses Gefühl kann noch gesteigert werden, indem man vorher eine halbe Stunde Dauerlauf im dicken Baumwollanzug absolviert.
Kurz darauf liege ich im Zimmer und peitsche die Klimaanlage auf 24 Grad runter.
Was für ein Tag. Meine Augen brennen und ich hab trotz Anstrengung absolut keinen Appetit.
Als ich so da liege und die erste Schlafwelle über mich wellt, summt es hell an meinem Ohr. Moskitos!
Die ganze Wand ist voll mit den kleinen Blutsaugern. Und sie sind clever - und viel zu schnell.
Dennoch schaffe ich es, ein paar zu erwischen. Dann schnappe ich meine Durian und verlasse hastig das Zimmer Richtung Strandpromenade.
Der Tag ist kaum wieder zu erkennen: aus der Sonnenhölle ist ein lauer Abend geworden. Im Hintergrund säuselt ruhiger Wellengang, ein leichter Wind weht und der Mondschein über der nahen Insel taucht alles in ein silbriges Licht.
Eine ehrwürdige Kulisse für einen kleinen Durian-Snack.
Voller Vorfreude suche ich mir eine ruhige Sitzbank möglichst weit weg von der Straße und mache mich dran, den König der Früchte festlich zu öffnen.
Aber irgendwas fehlt… Richtig: Kaum habe ich die Vorarbeit beendet und die Frucht leicht geöffnet, rauscht auch schon ein Mofa an und hält hinter meiner Bank. Dann Stille.
Eine Bierdose wird geöffnet. Ab und zu ist lautes Aufstoßen zu vernehmen.
Die zwei großen malaysischen Augen starren mich minutenlang aus dem Dunkeln an, während der Mund gierig an der Dose schlürft.
Ich bleibe möglichst unbeirrt und sondiere mit peripheren Blick die Lage. Keine Gefahr, dennoch bloß keinen direkten Blickkontakt herstellen!
Zu spät. Der Mann steht plötzlich mit einem freundlichen “Hello!” neben mir und greift direkt ungefragt ins Geschehen ein.
Er mag mir beim Öffnen der Frucht helfen, fuchtelt zwischen meinen Händen herum, was fast zu ernsthaften Schnittverletzungen führt und brabbelt unverständliche Tipps auf Malay vor sich hin.
Ja, ich weiß, wo man Durian am besten anschneidet! Und ja, ich weiß auch, dass Durian stachelig ist - ein Grund, warum ich meine Handschuhe anhabe!
Da auch nach mehreren Anläufen keine echte Kommunikation stattfindet, bitte ich ihn mit möglichst ruhiger Stimme zu gehen.
Bedröppelt knattert er in die Nacht davon. Kurz darauf entert eine Gruppe Jugendlicher den nahen Spielplatz. Sie bleiben fern, unterhalten sich aber plötzlich lautstark und lachen unnatürlich verstärkt. Das einzige Wort, das ich verstehe: Durian. Es könnte sein, dass es dabei um das fremde Wesen auf der Bank geht…
Es schmeckt trotzdem, aber ich bin froh, als ich die Tür von meinem Zimmer hinter mir schließe.
Während ich in der Nacht von Trillionen Moskitos verspeist werde, träume ich, wie ich als T-1000* zu flüssigem Metall schmelze und beliebige Formen annehme.
Es ist herrlich, zum Beispiel als Reiszwecke unter den Reifen meiner zweirädrigen Freunde, für Ruhe auf den Straßen zu sorgen.
Ich freue mich auf die Überfahrt morgen früh und die hoffe auf ruhigere Momente am Strand.
I’ll be back!#
- siehe IMDb: Terminator 2 - Tag der Abrechnung
http://www.imdb.de/title/tt0103064/
“T-1000” bedeutet übrigens “Trabold-1000”. Leider ist das im Netzt oft unsauber recherchiert ;)
Tags: Malaysia, Reise, Reiseberichte
Ort: Kota Bharu Kelantan, Kota Bharu, Kelantan, Malaysia GPS: 6.115596294403076, 102.24722290039062