Donnerstag, 15 April 2010#
Raub - Kopie eines chinesischen Albtraums
15. April
Wenn ich meinem malaysischen Herbergsvater glauben darf, führen die kommenden Kilometer über sehr gute Straßen durch herrlichen Urwald.
Leider sind die Einschätzungen von Einheimischen was die “Radtauglichkeit” von Straßen angeht meist eher fragwürdiger Natur. Doch diesmal gibt es wirklich viele gute Voraussetzungen ihm zu glauben:
Die Strecke ist in Insiderkreisen auch bekannt durch das alljährliche Radrennen “Le Tour de Langkawi” (http://www.ltdl.com.my/2010/therace/stage6.asp), wo sich auch internationale Fahrer messen. Das lässt mich auf ein radfreundliches Umfeld hoffen.
Der meiste Verkehr fließt über den neuen Highway im Tal entlang. Die Chancen auf ungestörte Momente in den Hügeln der “alten Strecke” stehen also ganz gut.
Schon gestern ist mir der hervorragende Straßenbelag aufgefallen. Perfekt!
Und dann kam mir ja noch Vater und Sohn auf dem Rennrad entgegen. Und beim Frühstück fahren auch prompt zwei Rennfahrer an uns vorbei.
Die Quälerei von gestern ist vergessen, ich bin hochgespannt auf das heutige Raderlebnis und trete mit einem guten Gefühl in die Pedalen.
Es ist angenehm mild, der Wald wacht auf: ein guter Tag beginnt!
Die Steigung ist stetig, aber angenehm. Ich finde schnell in meinen Tritt und genieße jeden Meter. Einzig die wunderschöne Ausblicke zwingen mich zur Rast. Sonst ist alles im Fluss.
Sogar der Verkehr ist kaum wahrnehmbar. Die Anzahl der Autos kann ich an einer Hand abzählen und wenn eins an mir vorbei fährt, gibt es kein sinnloses Gehupe sondern ich erhalte im Gegenteil respektvolles Lächeln, wohlwollendes Klatschen oder einen kurzen anfeuernden Plausch aus dem Seitenfenster.
Oft halte ich aber auch einfach nur inne und lausche ins Grün hinein.
All das Klopfen, Zirpen, Pfeifen, Brummen und Summen unterlegt mit dem Rauschen des Flusses und der Bäume ist wahrlich atemberaubend!
Es erfordert einige Konzentration, die einzelnen Klänge aus dem dichten Klangteppich zu erkennen und der audiovisuellen Flutung standzuhalten.
Es ist hochinteressant, wie sich das Gewusel plötzlich ordnet und Muster beziehungsweise einzelne Tiere erkennbar werden. Gepaart mit der frischen, klaren Luft sind das sehr intensive und vor allem sehr seltene Momente tiefer Naturverbundenheit.
Wie sehr ich das vermisst habe! Und wie langweilig, monoton und dumm sich dagegen der immergleiche Lärmteppich der Großstadt anhört.
Leider kommt der Gipfel, und damit der Abschied von den Genting Highlands, viel zu schnell.
Danach geht es immer weiter abwärts. Die Abfahrt ist zwar auch schön und recht ruhig, ich spüre aber, wie der Verkehr und Lärm zurückkommt und schließlich in Bentong wieder vollständig dominiert.
Dort mündet die Straße in den Highway Nummer 8 und alles was Räder hat und Richtung Kota Bharu möchte sammelt sich auf dieser Straße.
Die Landschaft wird unbedeutend. Es völlig egal, wie das Drumherum aussieht, denn die Straße erfordert ab sofort meine ganze Aufmerksamkeit. Es gibt weder Baum-Schatten noch sonst irgendwelchen Schutz vor der Sonne.
Dafür sind die schwarzen Rußwolken, das lästige Knattern defekter Auspuffe und allen voran das unnötige Hupen wieder da!
Völlig egal, wie nett oder aufmunternd das Hupen gemeint ist: ein einfaches Hupen, wie es hier von 99% der Autofahrer gebraucht wird, ist und bleibt für mich ein Warnsignal und ist instinktiv mit Gefahr und den entsprechenden Körpereaktionen verbunden.
Und vielleicht ist es ja auch genau das: eine Warnung, den Wahnsinn endlich zu beenden.
Doch so einfach ist das leider nicht: Mein Tagesziel ist die Stadt mit dem charmanten Namen Raub. Und der Weg dorthin zieht sich.
Wie sich herausstellt ist der Name der Stadt Programm: endlich dort angekommen, empfängt mich eine völlig trostlose, betongesättigte Stadt, die mir die letzte Hoffnung auf einen ehrwürdigen Abschluss des Tages raubt.
Ich hab schon viel gesehen, aber die Hotels hier sind an Hässlichkeit kaum zu überbieten: beim “Hotel Raub” habe ich ernsthaft Angst, hineinzugehen. Der verschimmelte Betonkasten mit seinem Schlund sieht einfach abstoßend aus. Wie es darin wohl aussehen mag?
Wahrscheinlich genauso wie in jedem der drei anderen “Hotels”, die ich mir danach anschaue.
Alle sind gleich aufgebaut, unter chinesischer Leitung und praktischerweise auch direkt nebeneinander: massiver Beton-Bau-Fassade mit klapprigen Fenstern und schmalem Eingang mit einem noch schmalerem Gang nach oben in den ersten Stock. Dort wartet dann eine alte Chinesin (auf Kundschaft?).
Im Fernseher dröhnt in voller Lautstärke das übliche chinesischen Soap-Opera-Gesäusel. Die Kommunikation ist - auch mit meinem Chinesisch Wörterbuch - sehr schwerfällig.
Ich erhalte von der unfreundlichen Dame sofort die zwei eindeutige und wie mir scheint urchinesischen Signale:
- Verdammt was machst Du hier? Ich hoffe, Du hast einen wichtigen Grund mich zu stören!
- Nur wenn ich gnädig bin, werde ich Dir Nichtsnutz meinen letzten freien Raum geben und Du wirst mir dafür den Preis zahlen, den ich Dir nenne. Keine Diskussion. Du hast eh keine Wahl mehr.
Ich weiß schon unten, wie schrecklich die Zimmer sind und werde immer bestätigt.
Und egal wie freundlich und ruhig ich bleibe: Meine Verhandlungsversuche werden alle abgeschmettert. Beim dritten Anlauf akzeptiere ich meine Lage zähneknirschend.
Es ist mies, es ist zu teuer, aber ich mag einfach nur noch schlafen.
Zum Glück erhalte ich im Laden nebenan noch einen Betthupferl: meine Lieblings-Schokomilch, die mich rasch besänftigt und dann satt in den Schlaf schickt.
Bilder
http://www.flickr.com/photos/christian-trabold/sets/72157623879253436
Tags: Malaysia, Reise
Ort: Raub Pahang, Raub, Pahang, Malaysia GPS: 3.793241500854492, 101.8576889038086