Mittwoch, 14 April 2010#
Unfreiwilliges Sonnenbad in Kuala Lumpur
14. April
Frohen Mutes und wieder einigermaßen hergestellt mache ich mich auf den Weg Richtung Ostküste. Ziel: Kota Bharu. Geplante Dauer: eine Woche.
Einzig das Wetter könnte mir noch einen Strich durch die Rechnung machen und die Abfahrt verzögern denke ich am Vorabend.
Die Wolkenbrüche in KL sind heftig und der Donner, der durch die Hochhausschluchten dröhnt, lässt alles vibrieren und sogar gestandene Männer auf der Straße zusammenzucken. Bei jedem Blitz zähle ich mit: fast jeder ist ein Einschlag und näher als “vier Sekunden”.
Das Naturerlebnis wird nur dadurch getrübt, dass meine Kleidung trotz Unterschlupf in einer Bushaltestelle und trotz Regenjacke binnen fünf Minuten bis auf die Haut durchnässt ist. Unwahrscheinlich, dass das bis morgen trocknet; wahrscheinlich, dass dadurch wieder die ganze Tasche nach Reise-Mief stinkt.
Da hilft auch keine Seifenschnellwäsche: feuchte Kleider – insbesondere Schuhe! – in wasserdichten Radtaschen stinken nach spätestens einer Stunde, mit intensiver Sonneneinstrahlung noch schneller. Dagegen ist der Geruch von überreifer Durian wahrscheinlich wohlriechend.
Gegen die hohe Temperatur in den Taschen kann man nichts machen, außer evtl. sensible Dinge einzuwickeln und so oft es geht im Schatten fahren.
In China hat zum Beispiel mein Fieberthermometer wegen der zu hohen Temperatur in den Taschen schon den Geist aufgegeben, obwohl es “geschützt” war. Einzig verlässliche Lösung: Digitales Thermometer mitnehmen. Und Salben laufen aus - wasserdicht einpacken!
Dafür weiß ich jetzt, dass es selbst im Kern der Taschen weit über 44 Grad Celsius heiß werden kann.
Meine Maßnahmen gegen den Gestank sind:
Feuchtigkeit wo es geht vermeiden; wenn Regen in Sicht: unterstellen und warten!
die Taschen so oft lüften wie möglich
jeden Sonnenstrahl zum Trocknen nutzen; die Sachen wieder einpacken sobald die Sonne verschwindet, denn dann fängt sich wieder Feuchtigkeit!
nasse Sachen wenn möglich auf die Hintertasche binden und im Fahrtwind trocknen lassen (bei starkem Stadtverkehr vermeide ich das jedoch)
nasse Sachen von trockenen Sachen isolieren, da sonst auch die trockenen Sachen sofort mit stinken
Schuhe und Socken einpudern und so die gröbsten Dämpfe binden
Dass ich mir am nächsten Tag eine solche Abkühlung von oben mit jeder Faser meines Körpers sehnlichst herbeiwünsche zeigt eindrucksvoll, wie brutal die Sonne im Großstadtdschungel gegen einen arbeitet:
Der Abschied aus der Stadt ist so zäh wie noch nie und eine einzige Irrfahrt durch pralle Sonne, lärmenden Verkehr und sonstigem Großstadt-Chaos.
Die Verkehrsführung ist - wenn vorhanden - sehr ungewohnt und durch Einbahnstraßen und mir äußerst Sinn frei erscheinenden Parallelstrassen-Systemen, die dann doch plötzlich in unterschiedliche Richtungen führen, einfach frustrierend. Spontane Spur- oder Richtungswechsel werden durch massive Betonwände unterbunden, so dass oft mehrere Kilometer Umweg bis zum nächsten U-Turn nötig sind (in Gegenrichtung zu fahren ist durch den geringen Platz oft viel zu gefährlich).
Das Ende vom Lied: Ich finde erst nach vier Stunden völlig entkräftet aus der Stadt heraus.
Über den sechsspurigen Highway gelange ich schließlich kurz vor der Maut-Station auf die Landstrasse Richtung Kota Bharu.
Es wird schlagartig ruhiger und ich kann endlich etwas verschnaufen … etwa hundert Meter bis zur nächsten Siedlung, wo mich direkt eine Gruppe junger Machos empfängt und auf dem Mofa und Fahrrad lustige Wettrennen um mich herum veranstaltet.
Nachdem auch alle anderen Dorfbewohnern über meine Ankunft informiert sind, lassen sie wieder von mir ab und ich arbeite mich weiter konzentriert den Berg hoch.
Nach den ganzen Anstrengungen endet der Tag zum Glück recht entspannt: per Zufall finde ich einen kleinen Campingplatz, wo ich in einer Hütte mein Moskitonetz aufspannen kann.
Bis spät in die Nacht sitze ich mit dem Besitzer zusammen, esse leckere Nudeln und plaudere über Malaysia und den Rest Welt.
Als Nachtisch legt er für mich “Stirb langsam Teil 4” ein und verschwindet zu seiner Frau an den Nachbartisch. Ich bin schlagkaputt, mag aber nicht unhöflich sein und tue so, als ob ich den Film genieße. Sofort fallen mir die Augen zu.
Vom mächtigen Bruce bekomme ich daher allerhöchstens das Getöse im Halbschlaf mit. Die “Story” wird mir wohl für immer ein Rätsel bleiben…
Als der Abspann läuft, schleiche ich mich schnell in meine Hütte. Auch das wäre überstanden.
Es kann nur besser werden, denke ich und lausche dem Zirpen und Pfeifen im Wald, bis ich einschlafe.
PS: Wer Schwierigkeiten hat, sich die Eindrücke einer solchen Fahrt vorzustellen, dem “empfehle” ich eine Gedankenreise (!) im Feierabendverkehr über die A5 von Frankfurt nach Langen: beginnend an der Konstabler Wache an der Messe vorbei bis zum Frankfurter Westkreuz vorarbeiten und dann auf die A5 immer geradeaus bis zur Abfahrt zur 486. Der Landstraße folgen und locker bis zum Bahnhof ausrollen.
Wer mag, kann sich auch noch zusätzlich gedanklich ein Clownkostüm überziehen und eine Extrarunde in Griesheim drehen. :)
Ort: Classic Inn Budget Hotel, Kuala Lumpur, Kuala Lumpur, Malaysia GPS: 3.141279697418213, 101.71064758300781