Samstag, 10 April 2010#
Das Paradies neu aufgedeckt
Wer sich beim Betrachten meiner Bilder von Ko Tao oder Ko Chang dabei ertappt, dies als paradiesisch, traumhaft oder idyllisch zu bezeichnen oder wenn gar Neid aufkommt, dem mag ich mit meinem Erfahrungsbericht etwas Erleichterung verschaffen:
Es ist nicht so toll, wie es aussieht!
Am Strand und in den Restaurants wimmelt es von Mücken und Moskitos. Schon morgens muss ich die Chemiekeulen auspacken und mich von oben bis unten einschmieren.
Da das Wasser oft aus einem zentralen Sammelbecken gespeist wird, können sich Krankheiten wie zum Beispiel Brech-Durchfall-Epidemien oft schneller ausbreiten als auf dem Festland. Mangelnde Trinkwasserqualität führt auch zu schlechteren Hygiene beim Geschirr-Abwasch und beim Duschen. Vor allem auf Ko Tao habe ich nach dem Duschen weitaus unangenehmer gerochen als vorher.
Die Strände sind vermüllt mit Bierflaschen, Plastik-Dreck, Öl- und Teerklumpen. Auch im Innern der Insel habe ich viele Müllhaufen gesehen. So wird man ständig daran erinnert, in welcher Zivilisation man lebt - egal wie weit man vom Festland weg ist oder wie klein und abgeschieden die Insel auch sein mag.
Das Essen ist oft überteuert, was durch den Inselstatus nachvollziehbar ist. Alles muss schließlich von weit her an-geschifft werden. Aber das Essen ist auf Dauer langweilig und kann qualitativ mit dem Stadtessen nicht mithalten. Ich hab’ unterschiedlichstes Insel-Essen ausprobiert, auch lokale “Spezialitäten”, aber spätestens nach dem vierten Restaurantbesuch wiederholte sich das Geschmackserlebnis. Es war ohne Frage gutes Essen, aber Festessen wie auf dem Festland waren Fehlanzeige.
Die Menschen sind … anders. Touristen sind entweder überheblich, aggressiv und rücksichtslos (ich will jetzt das totale Inselerlebnis! … und Kühe!! … und dies und das!) oder schon so gefrustet beziehungsweise ab-isoliert, dass sie - meist ungefragt - andere mit irgendeinem Schmonsens zu quatschen, in der Hoffnung, endlich etwas Abwechslung im Tagesablauf zu erhalten.
In der Strandbar bei seichter Musik und leichtem Wellengang dem Vollmond zu bestaunen ist romantisch. Dabei das ständige - meist englische - Gelaber am Nachbartisch über irgendwelche abstrusen Weltanschauungen und alternativen Lebensstrategien ertragen zu müssen ist hingegen sehr unromantisch und lästig.
Es gibt natürlich auch angenehme Gesprächspartner - meist deutsche! Vorsicht jedoch von den in Seidentüchern eingewickelten, langsam dahin-schlurfenden Halbzeit-Full-Moon-Party-Ravern, Strandnixen oder älteren Herren mit Macbook, die jeden Tag am selben Fleck sitzen und nur darauf warten, Neuankömmlinge für ihren nächsten Monolog zu gewinnen!
Die Einheimischen sind - egal auf welchem Fleckchen der Insel - auf den Tourismus fixiert. In der Stadt hört man auf Schritt und Tritt die Frage “Where you go my friend? Need Taxi?”. Einheimische im Innern der Insel sind offensichtlich - und vielleicht auch zurecht - genervt, den Tourist im eigenen Rückzugsgebiet zu sehen “Nun kommen sie auch noch hier her…”. (Die Einheimischen im jeweiligen Ressort sind natürlich sehr freundlich!)
Ein ähnliches Phänomen der Abneigung konnte ich übrigens beim Zusammentreffen von Tourist und Tourist beobachten. Wann immer sich andere Touristen weitab von den touristischen Hauptpfaden getroffen haben, war die erste (instinktive) Reaktion eine Mischung aus “verdammt, was macht der denn hier?” und “bloß nicht sehen und gesehen werden.” Dann beim - auf dem schmalen Trampelpfad unausweichlichen - Zusammentreffen: kurzer Blickkontakt, Nicken und vielleicht ein schnelles “Hallo!”.
Dies sind nur ein paar Beispiele aus meinem bisherigen Inselleben.
Ich stelle fest: Nach spätestens fünf Tagen Inseldasein fällt mir die Decke auf den Kopf. Offenbar bin ich doch mehr Stadtmensch, als ich dachte. Jedenfalls kein Inselmensch. Auf der Insel bekomme ich schneller Platzangst, als auf dem lebendigsten Nachtmarkt oder im grössten Einkaufszentrum.
Das Inselleben wird meiner Meinung nach zu schnell trostlos und ich kann nur jedem raten, sich keiner Illusion von Werbebroschüren aus dem Reisebüro oder gar Fotos aus dem Internet hinzugeben. Tipp eins: die gewählte “Trauminsel” vorab nur für ein paar Tage testen!
Tipp zwei: Auf jeden Fall Ausgleichsaktivitäten wie zum Beispiel Tauchen einplanen. Dann kann man es dort auch länger aushalten. :)
Die dem Text zugrundeliegenden Erfahrungswerte basieren auf den streng analytisch gesammelten rein subjektiven Empfindungen meiner Besuche auf den thailändischen Inseln Ko Chang und Ko Tao. Meinungsänderungen durch weitere Inselbesuche in Malaysia vorbehalten.
Ort: Bangkok, Bangkok, Bangkok, Thailand GPS: 13.75, 100.51667022705078