Samstag, 13 März 2010#
One Night in Bangkok – von wegen!
Mein Aufenthalt in der thailändischen Hauptstadt geht nun in die vierte Woche. Wahnsinn! Und selbst für mich eine unerwartete Wendung meiner Reise.
Warum denn bluß? Schwer zu beschreiben. Die Stadt an sich ist eigentlich gar nicht so überwältigend. Es ist chaotisch, dreckig, laut. Verstörend?
Gleichzeitig entspannend, interessant, lebendig. Inspirierend!
Seit meiner Ankunft rätsele ich darüber, warum mich die Stadt so anmacht Vielleicht ist es der Kontrast aller Eindrücke. Ich weiß es nicht.
In keiner anderen Stadt habe ich mich bisher so vollständig verlaufen, so sehr im Verkehr das Adrenalin gespürt und um meinen Platz kämpfen müssen.
Nicht im Traum hätte ich mich in einer anderen Stadt so selbstverständlich in eine Straßenkneipe gesetzt und das wilde Treiben vor meiner Nase bestaunt. Bis zum Morgengrauen. Ohne jede Angst, dass mir auch nur ein Haar gekrümmt wird.
Dabei habe ich mich so sehr amüsiert wie schon seit Monaten nicht mehr. Und das alles ohne Bar-fine-Quatsch oder irgendwelchen Mädels ständig Getränke auszugeben.
In keiner anderen Stadt habe ich bis jetzt so viel und gerne gelächelt, Wais gemacht, solche Körpersprache und Wärme gespürt, wie hier.
Auch wenn es nicht das tiefste, ehrlichste Lächeln ist - es ist ein Lächeln und es tut gut.
Gleichzeitig habe ich mich bis jetzt mit keinem Land so intensiv auseinander gesetzt wie mit Thailand. Auch wenn ich mit so wenige Erwartungen wie möglich angereist bin - die Wunsch-Bilder und Traum-Vorstellungen sind einfach da und wurden kräftig um- bzw. weggespült.
Ich habe hier das tiefste Emo-Tief seit Monaten bewältigt und wenige Stunden später wundervolle Menschen getroffen, die meine Reise tief bereichert und beeinflusst haben.
Von Trat fahre ich am 18. Februar mit dem Bus nach Bangkok. Radreisende, die ich in Trat treffe, raten mir dringend von der Radtour dorthin ab. Es sei uninteressant und durch den starken Verkehr äußerst unangenehm. Außerdem habe ich am Freitag eine Verabredung mit Ralph und muss zwangsläufig den Bus als “Lift” nehmen.
Der erste Kontakt mit Bangkok ist die Radfahrt vom Bus-Terminal weit im Norden zum Hotel am Fluss weit im Süden. Besonders spannend wird dieses Unterfangen dadurch, dass meine Stadtkarte von Bangkok nur den innersten Stadtkern zeigt (wie ich später herausfinde). Ich folge daher meinem Gefühl und dem Kompass.
Wie so oft beim Radfahren durch die Stadt sehe schon viele der Sehenswürdigkeiten und bekomme auch einige einmalige Eindrücke mit - neben dem gigantischem Verkehr bekomme ich die Polizei bei der Arbeit zu spüren.
Für irgendein wichtiges Staatsmitglied wird die Straße in allen Richtungen für fast eine halbe Stunde abgesperrt, dann fährt das VIP-Auto mit (für meine Ohren) sehr lustige Hup-Melodie auf die Straße und verschwindet schnell hinter der ersten Kurve. Dann brausen alle weiter.
Nach fast 20 Kilometern schweißtreibenden Stadt-Kilometern komme ich im River View Guesthouse an.
Dort verbringe ich das erste Wochenende: Tagsüber meist am Flussufer und in Chinatown. Abends gehen Ralph und ich rund um Sukhumvit / Asoke Station aus. Das Nachtleben ist bunt, neu, einen Tick zu aufbrausend.
Nach über neun Monaten on-tour tue ich mir spürbar schwer, mich in das laute, künstliche Treiben einzulassen.
In der zweiten Woche ziehe ich in ein Hotel an der Asoke Station, um näher an genau diesem Geschehen zu sein. Obwohl ich durch das ständige “Verlaufen” in Chinatown sehr interessante Ecken von Bangkok kennen lerne, wird mir das Pendeln nach Sukhumvit zu zeitaufwendig. Nichtsdestotrotz war es sehr schön, mal wieder das lieb gewonnene chinesisches Treiben zu spüren.
Das neue Hotel ist sehr komfortabel eingerichtet: es gibt neben Massage eine Sonnenterrasse mit Schwimmbecken, ein Fitness-Raum und sogar eine Sauna. Ganz genau: standesgemäß.
Die Fitness-Einheit über den Dächern Bangkoks tut unglaublich gut. Der warme Wind umspielt mich sanft, während ich auf dem Elipsentrainer meine Runden drehe. Beinarbeit mal ganz ohne Verkehrslärm.
Nach dem Workout geht es in die eigens für mich temperierte Sauna, wo der Aufguss diesmal vom besten Aufguss-Meister Asiens höchstpersönlich durchgeführt wird: mir selbst! Außer mir ist keiner auch nur in der Nähe der Sauna und ich kann mich völlig ungeniert austoben.
Sauna in Bangkok - ist das, ähm, nötig? Ich kann nur sagen, dass es mir nach den Saunagängen wesentlich besser geht und der Schweiß weit weniger unkontrolliert fließt. Außerdem reinigen die ätherischen Öle sichtbar die Atemwege von allem möglichen angesammelten Dreck der letzten Wochen.
80 Grad Celsius bei fast 60% Luftfeuchte machen überall auf der Welt Spass. :)
Wie auch immer: nach der Sauna ist die Lust auf ein doppelt-dreifaches Radler-Maß noch größer als sonst. Also geht es nach den Höllenqualen zum Gaumenschmaus ins deutsch-stämmige Restaurant “Otto” um die Ecke. Dort genieße ich feinen Kartoffelsalat und Paulaner vom Fass.
Anschließend schlendere ich über die Soi Cowboy und trinke einen Absacker in der Easy Bar an der Straße, bevor ich zurück in die Hotel Lobby falle, wo mich der junge Mann von der Rezeption ganz aufgebracht vor den Fernseher zieht: Jedermann! Jedermann! Fussball!
Ah! Champions League! Während ich meine Heuschrecken knuspere, spielt auf dem riesigen Bildschirm der VFB Stuttgart gegen FC Barcelona. Schön anzusehen (zumindest die erste Halbzeit, danach gehe ich aufs Zimmer und schlafe sofort ein)!
Das Zimmer ist ruhig und ich habe endlich mal Zeit, die Eindrücke zu sortieren und zu mir zu kommen.
Mein Entschluss steht wie folgt: Ende der zweiten Woche kaufe ich ein Zugticket Richtung Surat Thani (Süd-Thailand) und von dort fahre ich dann mit dem Rad weiter zur malaysischen Grenze und weiter.
Die Easy-Bar ist zwei Jahre später völlig verändert und ich werde um 800 Baht erleichtert. Jeder Moment ist einzigartig.
Ort: Bangkok, Bangkok, Thailand GPS: 13.767197608947754, 100.61700439453125