Samstag, 23 Januar 2010#

Mit allen Wassern gewaschen

Der erste Kayak-Tag beginnt um sieben Uhr in der Früh. Zackzack sind die Taschen auf dem Rad damit ich mich in Ruhe dem Frühstücksbuffet widmen kann. Frühstücksbuffet - ein Luxus, den ich seit Monaten (Delingha, China) nicht mehr hatte (und auch wenig vermisst habe).

Keine Frage: die Energiespeicher müssen für das kommende Abenteuer randvoll sein!

Drei Tage mörderische Stromschnellen, kraftzehrende Felsumschiffungen und meterlange (und dadurch potentiell gefährliche) Irrawaddy- Süßwasserdelfine. Womöglich müssen wir auf irgendeiner der 4000 Inseln notlanden, weil uns die Puste ausgeht oder das Boot undicht wird. Das alles bei dieser Affenhitze!

Mit diesen Gedanken rolle ich um kurz vor acht beim Reisebüro ein, stelle Rondolf in eine sichere Ecke und warte kugelrund und aufgeregt auf die Abfahrt.

Im Minibus sitzen noch drei andere Reiseteilnehmer. Ein Pärchen aus Südtirol und ein Mann aus Heidelberg.

Wenige Minuten später bricht der Heidelberger endlich das frühmorgendliche Schweigen und wir verfallen alle vier auf englisch in heiteren Smalltalk übers Reisen. Hauptthema – wie so oft – China!

Mit fast mehr als drei Monaten Aufenthalt und delikaten Weggeschichten kann ich da durchaus erfreulich tief aus dem Nähkästchen plaudern.

Irgendwann fällt bei irgendeinem von uns irgendein deutscher Wortfetzen und wir stellen unter schallendem Gelächter fest, dass wir alle auch der deutschen Sprache mächtig sind. Selbiges passiert häufig und ist immer wieder lustig.

Im Galopp geht es dann erzähltechnisch als auch mit dem Bus über Stock und Stein und viel zu früh erreichen wir den Hafen. Der Heidelberger fährt weiter, Manu, Tobi und ich wandern weiter zum Strand.

Gerade noch Herr über alle Radwege der südlichen Halbkugel schrumpfe ich beim Anblick der Boote, Schwimmwesten und knallgelben Sturzhelme auf Springmausgröße zusammen.

Aber alles halb so schlimm: die Schwimmweste passt und nach kurzer Sicherheits- und Fahranweisung wackeln wir dann auch schon übers ruhige Wasser. Vorerst ohne Helm.

Bis zum Mittagstisch sind die Bewegungen mit dem Paddel noch etwas unstet. Danach geht es immer besser voran und macht richtig Spaß.

Manu und Tobi fahren im eigenen Zweier und erweisen sich als sehr sympathische Gefährten. Die anfängliche Angst ist wie weggeblasen und wir gleiten ruhig durch atemberaubende Flusslandschaft zu den 4000 Inseln.

Am Ende erreichen wir pudelnass, aber entspannt und angenehm erschöpft unseren Zielhafen auf Don Khon, einer sehr ruhigen und recht ursprünglichen Insel.

Dort geht es nach gutem Abendessen und Kurz-Briefing für die morgige Tour in die Bambushütte, wo ich ganz schnell ganz tief einschlafe.

Der zweite Tag beginnt mit einer Zeitreise in die Tage der französischen Kolonialisierung. Danach besuchen wir die Orte des Geschehens zu Fuß und setzen nach dem großen Wasserfall in einer ruhigen Bucht unser Kayakfahrt zur Delfinbucht fort.

Hier heißt es zum ersten Mal “Helme aufsetzen”, denn die ersten Stromschnellen warten auf uns.

Den Abend lassen wir auf einer winzigen Felsinsel ausklingen, wo wir mit großer Spannung nach den Süßwasserdelfinen Ausschau halten.

Ein paar Mal sehen wir die Rückenflossen der Säuger, dann heißt es Abschied nehmen. Tobi und Manu haben nur zwei Tage gebucht und fahren nun zurück zum Guesthouse. Ich steche mit Tae, meinem Guide, nochmal hinaus - näher zu den Delfinen.

Schön, aber scheu sind diese Tiere. Leider hört man oft nur das Schnauben beim Luftholen und schon sind sie wieder abgetaucht. Eine echte Begegnung (wie zum Beispiel damals beim Tauchen im Roten Meer) sucht man hier vergebens.

Bei den vielen laut knatternden Motorbooten auch kein Wunder! Kaum sieht man andeutungsweise einen Delfin, schon dröhnen die Weißbrot beladenen Boote in die neue Richtung… Da hätte ich als Delfin auch kaum mehr Lust als ab und zu mein Hinterteil aus dem Wasser zu strecken. Eat this!

Bevor es zum Abendmahl geht, kühle ich mich nochmal im klaren, weichen Mekong-Wasser ab und schwimme eine Runde zu einer kleinen Insel im Fluss.

Leider ist das Abendessen im “Homestay” weniger gut und der halb-gare Fisch schlägt mir ziemlich auf den Magen. Zusätzlich beschallt ein Dorfbewohner die ganze Nacht das Dorf mit laotischer Trauermusik aus der Heimorgel.

Der Guide erklärt mir den laotischen Trauerbrauch: der oder die Tote wird vor der Verbrennung drei Tage im Haus aufgebahrt. Jeder Familienfreund und Dorfbewohner kann sich so nochmal stilvoll verabschieden. Je mehr Leute, desto besser. Die Musik soll auf den Trauerfall aufmerksam machen und gleichzeitig zum Vorbeikommen einladen.

Nachdem wir die Familie besucht haben kann ich etwas besser schlafen. Dennoch ist das Gefühl ähnlich wie damals in der Tschechischen Republik (s. Trauer für einen Unbekannten) und die Bilder und die sich meditativ wiederholenden Melodie werden mir lange in Erinnerung bleiben.

Am Tag drei wache ich zerknautscht und mental ziemlich durchgeschreddert auf. Mir ist heute überhaupt nicht nach Halligalli auf dem Wasser und ich sage die Kanufahrt durch die Stromschnellen zum großen Wasserfall mit hängendem Kopf ab.

Das darauf folgende Ziehen im Bauchbereich zeigt mir jedoch, dass ich damit absolut richtig liege. Schade, aber in dieser Verfassung hat das keinen Wert.

Ich möchte nur noch so schnell wie möglich zu meinem Rad beziehungsweise dem dortigen Arzneikasten, mit dessen Hilfe ich mich für die Weiterfahrt nach Phnom Penh in Cambodia präparieren kann.

Denn höchste Priorität hat für mich, in eine möglichst große Stadt zu kommen, um eventuell einen kompetenten Arzt aufsuchen zu können, falls sich mein Zustand verschlechtert.

Und so sitze ich um kurz vor 12 Uhr im Bus zur kambodschanischen Hauptstadt und verlasse leicht gehetzt und total durchgeschwitzt Laos. Das Land, das mir durch seine entspannte Atmosphäre so viel Freude am Reisen (zurück) gebracht hat.

Auf der kambodschanischen Seite wartet der Bus, wo Rondolf unsanft hineingestopft und unter kiloschweren Rücksäcken begraben wird. Der tapfere Rondolf begraben unter meterhohen Backpacker-Ballast – welch Schmach!

Geplante Ankunft ist 19:30 Uhr. Ich ergattere den letzten Sitzplatz und hoffe einfach, dass bis dahin alles gut geht und dicht bleibt.


Ort: Pakxe, Pakxe, Champasak, Laos GPS: 15.117100715637207, 105.80016326904297