Samstag, 14 November 2009#
Grün grün grün ist alles was ich sehe
Emei / Emeishan, 9. bis 14. November
Bilder: Die heiße Gute-Nacht-Dusche im Hotel macht den Kopf frei und die Beine schön schwer.
Ich schlafe so gut, dass ich am nächsten Morgen beschließe, noch einen weiteren Tag hier zu bleiben und die Umgebung des magischen “Emei” zu erkunden. Überall sind Schilder zu Naturdenkmälern aufgestellt. Um mich herum sehe ich jedoch nur den grauen Nebel.
Die Entdeckungstour beginnt im nahen Internet-Cafe. Es ist kurz nach 10 Uhr morgens und die Bude ist voll mit Mädels, die chatten. Aus jeder Ecke blubbern in kurzen Abständen die typischen Töne der Chat-Programme. Die Jungens schlafen wohl noch ihren Kampf vom Vorabend aus.
Ein YouthHostel in der Nähe ist schnell gefunden und wenige Minuten später sitze ich beim Frühstück in Teddybears YouthHostel. Die Atmosphäre ist OK und das Zimmer mit 2 EUR wesentlich günstiger als das Hotel (10 EUR).
Es ist einiges los und gegen Abend lerne ich Dennis aus Kiel, Ethan aus USA und seinen jüngeren Bruder aus Israel kennen. Gemeinsam gehen wir auf “Nightsnacking”-Tour. Eine energiereiche Mahlzeit an einem der vielen Fritierbuden der Stadt (Bilder: http://www.flickr.com/photos/christian-trabold/tags/Nightsnacking/).
Bei einem kühlen Abendbier beschließen wir, morgen den Berg Emei gemeinsam zu besteigen.
Das Wetter ist mild. Dennoch rechne ich mit Schnee auf dem über 3000 Meter hohen Gipfel und packe entsprechendes Dämm-Material ein.
Es wird ein anspruchsvoller zwei Tagesausflug. Der Weg zum Gipfel besteht fast durchgehend aus Treppenstufen. Durch das feuchte Wetter ist es an manchen Stellen sehr rutschig. Trotzdem machen wir genügend Pausen, um die Landschaft zu genießen, denn die ist einfach unbeschreiblich romantisch, grün… toll!
Gegen Abend zieht ein Sturm auf und wir sind heilfroh, in einem buddhistischen Kloster einkehren zu können.
Dort lernen wir Christina aus der Schweiz und Steve aus Hawaii kennen. Zu fünft teilen wir uns ein Zimmer und haben die mit Abstand lustigste Nacht seit Beginn meiner Reise.
Ethan kommt auf die geistreiche Idee, als Absacker zwei Fläschchen Beijo (http://en.wikipedia.org/wiki/Baijiu) [JA, ekelhaft!] und Spielkarten zu kaufen. Der Plan geht auf: nach wenigen Minuten spielen wir Schweizer Kartenspiele und israelische Kinderspiele. Zwischendurch liegen wir gekrümmt vor Lachen auf den Betten.
Der Wind drückt am einfachen Holzdach der Hütte und es zieht durch jede Ritze. Das “eiskalt” der trockenen Wüste wird hier neu definiert: feuchtkalt zieht es bis auf die Knochen durch. Zum Glück gibt es in den Betten Heizdecken und so können wir etwas ruhiger Schlafen.
Nach gutem Frühstück (sehr einfach, dennoch / deshalb eines der leckersten bis jetzt) geht es weiter zum Gipfel. Die Temperatur liegt um die Null Grad Celsius. Das Wasser an den Pflanzenblättern ist in der Nacht gefroren. Ein Paradies für Fotografen!
Mit jedem Höhenmeter wird der Nieselregel eisiger und am Gipfel erwartet uns ein echtes Schneegestöber. Der Wind ist messerscharf und gespickt mit Eiskristallen. Die Sicht weit unter 15 Metern. Nach wenigen Minuten verlieren wir uns auf der Besucherplattform.
Die berühmte goldene Statue ist leider nur schemenhaft zu erkennen. Doch spürbar ist sie dennoch. Ihre Aura ist beeindruckend und die hunderten Chinesen um uns herum kurz vergessen.
Schon beim Aufstieg beschließen wir, dass ein Abstieg unter diesen Bedingungen weniger schön ist. Unsere Schuhe sind durchnässt, die Nase kalt und im Kopf schwingt nur noch ein Gedanke: Auf in die “Hot Springs” (=heiße Quellen in Emeishan)!
Die Hot Springs sind toll! Es gibt heißes, sehr heißes und kochend heißes Wasser, Massage, ja sogar eine Sauna ist vorhanden!
Nach über 6 Monaten Schwimmbad-Abstinenz lasse ich mich hier nach allen Regeln der Kunst aufquellen.
Der chinesischen Sauna zeige ich den anderen, was ein ordentlicher Aufguss ist und genieße dann - völlig ausgetrocknet - die anschließende Stunde beim Knetmeister, wo meine verspannten Radfahrer-Muskeln endlich mal wieder weichgedrückt werden.
Zum Abschluss suche ich dann noch mal das dampfende Sudbecken auf, wo sich fast alle Badegäste aufhalten. Bei leichtem Nieselregen stehen hier gut und gerne 50 Chinesen im heiße Wasser, essen Wurst und / oder Popcorn und plaudern. Ich bin der einzige Westler. Es ist herrlich!
Beim Ausgang entdecke ich ein “Fish-Therapy”-Becken, in dem ich kurze Zeit später von hunderten kleinen Fischen an- bzw. abknabbern lasse. Es ist einfach wunderbar. Selten habe ich so eine innige Naturverbundenheit erlebt. Leider sind die Chinesen in dieser Hinsicht weit weniger romantisiert. Nachdem ich tief entspannt im Becken treibe, stürmen vier chinesische Männer das Becken, quietschen und jauchzen bei jedem Knabberchen und zerstören somit jede Entspannung. Trotzdem: Auf jeden Fall mal ausprobieren!
Die Nacht über schlafe ich wie ein Stein und bin am nächsten Morgen wie ausgewechselt. Es ist Freitag und die anderen verabschieden sich Richtung Chengdu - und ich bin wieder alleine. Das ist jedes Mal wieder ein seltsames Gefühl. Nach der heiteren Runde wieder alleine zu sein ist hart.
Ich entschließe nach ewigem Hin und Her, mein Visum anstatt in Leshan in Chengdu zu erweitern. Die Bearbeitung soll in Leshan zwar binnen zweier Werktage abgeschlossen sein, aber es ist Wochenende und ich mag eigentlich weiter ODER die anderen noch mal sehen. Zumal in Chengdu am Sonntag die Weltmeisterschaft im Computerspielen stattfinden.
Schlaftrunken steige ich Samstag früh in den Schnellbus nach Chengdu und erreiche nach zwei Stunden die Stadt. Rondolf bleibt im Hostel. In einer Woche plane ich meine Rückkehr und dann die Weiterfahrt nach Kunming über Leshan.
Schon bei der Einfahrt in Chengdu fühle ich mich wohl, finde schnell das Hostel und genieße beim Donut-Frühstück die warme Gastfreundschaft.
Hoffentlich klappt am Montag alles wie geplant!
Ort: Emeishan, Emeishan, Sichuan, China GPS: 29.523181915283203, 103.33671569824219
