Mittwoch, 28 Oktober 2009#

Bin in Xining

Heute geht’s bei bester Laune mitten rein ins chinesische Treiben!

Ich verlasse endgültig die ruhige, weite Landschaft Qinghais und stoße in strammer Talfahrt in die Provinzhauptstadt vor - die erste größere Stadt seit Wolgograd!

Dabei wurde es gerade richtig schön: Ab Delingha kommt wieder Leben in den Radleralltag. Die staubgraue Sandlandschaft verschwindet. Es wird wesentlich grüner und lebhafter um mich herum. Pferde, Schafe und Yaks säumen das Blickfeld. Eine echte Wohltat nach den langen, leeren Kilometern in der Wüste.

Dennoch hat die Ödnis Spuren hinterlassen. Nach Wulan empfängt mich der Mann mit dem Hammer: Ich bin völlig kraftlos, demotiviert, leer. Die Beine wollen nicht mehr treten und im Kopf sammeln sich die wildesten Ideen und Argumente, weshalb ich hier und jetzt sofort vom Rad steigen darf. Es muss doch einen Weg geben, wie ich irgendwie anders nach Xining komme - ohne mich durch den scharfen Wind Meter für Meter durchs Tal zu quälen.

Grausame Stunden vergehen bis zur Rast in einem kleinen Städtchen nahe des Kohlebergwerks. Der warme Tee in der zügigen Stube lässt kurz die eisigen Temperaturen vergessen. Dann geht es weiter bergan Richtung Tianjun.

Auf halbem Weg lädt eine buddhistische Gebetsstätte zur erneuten Rast ein. Die Extra-Portion Räucherstäbchen und die güldenen Statuen in der Felsgrotte setzen neue Kräfte frei und ich überrasche mich selbst mit einem sagenhaften Antritt am Berg.

Wie verwandelt verputze ich den folgenden 3843 Meter hohen Pass, lasse mich anschließend 30 Kilometer locker bis nach Tianjn ausrollen und genieße dabei überglücklich den bombastischen Blick ins weite, offene Tal.

Zahlreiche Yakherden grasen in der Abendsonne, vereiste Seen schimmern und die schneebedeckten Berge säumen den Horizont. Gänsehaut - diesmal nicht von den -1 Grad Celsius, sondern weil die Strapazen diesmal “belohnt” werden. Das erste Mal seit hunderten von Kilometern.

Den inneren Schweinehund lasse ich auf der anderen Seite des Berges liegen, esse ordentlich mit einem chinesischem Lehrer zu Abend und starte am nächsten Morgen ohne Schwierigkeiten gemütlich durch bis nach Gangcha.

Die weite Aussicht auf den tiefblauen See, viele lächelnde Menschen am Straßenrand und euphorisch jubelnde Motorradfahrer mit riesigen Brillen, langen Kutten und blauen Sturmmasken mit großem Bommel on-top machen das Radfahren zum Fest.

Den 3448 Meter hohen Hügel nach Gangcha spüre ich kaum. Dafür gibt es danach fast 70 Kilometer zackige Abfahrt durch das tiefgrüne Tal nach Huangyuan.

Die Ruckelpiste erfordert höchste Konzentration. Bodenwellen und Spurrillen zwingen den Blick auf die Fahrbahn. Dabei ist der Blick auf die Berge oft so schön, dass ich anhalten möchte.

Doch seit Huangyuan nimmt der Verkehr drastisch zu. Es wird soviel gehupt, dass mir fast die Sinne schwinden. Oft ist gar nicht mehr auszumachen, woher das Hupen kommt. “Stur Spur halten” hat sich da bisher sehr gut bewährt.

In Xining finde ich schnell ein gutes, günstiges YouthHostel - sogar mit WIFI und kleiner Lounge! Endlich kann ich neue Musik (und Spiele) auf meinen iPod laden! :)

Morgen ist Ruhetag = Wäsche waschen, Stadt angucken, Kräfte sammeln. … und meine Weiterfahrt planen. Ein leidiges Thema, das ständig im Kopf rumwuselt.

Mit einem großen Glas Milch in der Hand sende ich ganz viele Grüße gen Heimat!


Ort: Xining, Xining, Qinghai, China GPS: 36.61666488647461, 101.76667022705078