Mittwoch, 28 Oktober 2009#

Wüste Pläne - Von Kashgar nach Xining

​27. September bis 28. Oktober

Der Basar der Stadt ist langweilig und doof, der Besuch auf dem Tiermarkt ernüchternd (http://www.flickr.com/photos/christian-trabold/tags/livestockmarket/). Es gibt fast mehr Touristen als Tiere zu bestaunen. Zudem sind die Umstände, wie die Tiere behandelt werden, eigenartig, was aber jedem Besucher vor dem Besuch klar sein sollte. Ich bin jedenfalls froh wieder zurück zu sein, um den Dung von meinen Schuhen zu waschen und meine Sachen für die Abreise vorzubereiten.

Das YouthHostel verfügt über eine Waschmaschine und einen großen Duschraum, so dass ich dort das Rad putzen konnte (Nein, die Dusche wurde dadurch NICHT schmutziger! Es ist erstaunlich, wie wenig die Sanitäranlagen hier gereinigt werden).

Das Rad und meine Kleider sind picobello sauber, die Kette frisch geölt und die Reifen aufgepumpt. Ich bin bereit für die Abfahrt.

Bilder aus Kashgar: http://www.flickr.com/photos/christian-trabold/tags/kashgar/

Am Montag, den 28. September geht es los Richtung Yengisar, dem ersten größeren Ort auf der Südstrecke durch die Taklamakan-Wüste. Im Gegensatz zur Ankunft finden wir schnell aus der Stadt, werden aber am ersten Kontrollpunkt zurückgewiesen. Die Südstrecke ist für ausländische Radfahrer gesperrt. Wir können entweder mit dem Auto oder Bus weiterfahren. Oder die Nordstrecke fahren…

Doch so schnell geben wir nicht auf und versuchen, den Kontrollposten zu umfahren (http://www.flickr.com/photos/christian-trabold/tags/escapingkashgar/), was auch gut gelingt. Leider wartet nach 70 Kilometern ein weiterer Kontrollposten.

Dort erklärt man uns, dass eine Weiterfahrt unmöglich ist und wir zurück nach Kashgar müssen.

Nach einigen erfolglosen Erklärungsversuchen (too far, sleep, dark!) unsererseits machen wir kehrt und versuchen uns über eine schmale Brücke unbemerkt an dem Posten vorbeizuschleichen.

Im nächsten Dorf machen wir Rast, essen eine ordentliche Portion Lagman und wundern uns über die große Menschentraube, die sich um unsere Fahrräder bildet. Als wir die letzten Nudeln schluzeln, deuten uns zwei Männer an, ihnen ins Polizeigebäude zu folgen. Betroffen machen wir uns mit den beiden auf den Weg.

Ich befürchte schlimmstes, versuche mich an die Telefonnummer der deutschen Botschaft zu erinnern und bin überrascht, als uns als erstes ein großer Teller mit Melonenstücken spendiert wird.

Die Beamten sind sehr freundlich. Langsam verflüchtigen sich meine Befürchtungen. Lange Minuten später erscheint der Chef mitsamt Protokollant und fragt uns nach Sinn und Zweck unseres Aufenthaltes aus. Reisepässe werden begutachtet. Weitere Fragen gestellt.

Wir befinden uns in einem Sperrgebiet und müssen es so schnell wie möglich verlassen. Der Aufenthalt ist nur mit einer speziellen Genehmigung möglich, die mindestens drei Tage Bearbeitungszeit benötigt.

Immer wieder betonen wir, dass wir unbedingt so schnell wie möglich nach Yengisar müssen - nicht nach Kashgar! - was irgendwann auch verstanden wird. Um sicherzustellen, dass wir sicher aus dem Gebiet kommen, erhalten wir Polizeigeleit bis zur Stadtgrenze.

Und so folgen wir dem Polizeiauto bis aufs Feld irgendwo zwischen Kashgar und Yengisar. Dort angekommen lassen uns noch eine schriftliche Genehmigung ausstellen, dass wir bis nach Yengisar fahren dürfen. Die Genehmigung ist in zwei Minuten geschrieben. Mit festem Händedruck bedanken wir uns und machen uns auf ins Ungewisse.

Es ist schon dunkel, als wir die Suche nach einem Hotel aufgeben und links ins Feld flüchten. Die Straße ist gesäumt von Maisfeldern, die eventuell einen schönen Zeltplatz bieten.

Als wir unsere Zelte aufstellen wollen, entdecken wir einen Bauern, den wir um Erlaubnis fragen. Er verneint und führt uns zu seinem Haus, wo wir gemeinsam essen und auch einen Schlafplatz finden.

Dankbar und erschöpft schlafen wir ein, bis uns um kurz nach 1 Uhr lautes Geklopfe weckt. Die Polizei steht in der Hütte und wir müssen sofort raus. Unsere Räder werden unsanft in einen kleinen Bus gestopft und wir fahren mit zwei Polizisten nach Yengisar bzw. bis kurz vor Yengisar, denn als im Dunkeln ein weiterer Kontrollposten erscheint, bremst der Fahrer scharf und weist uns an, ab hier mit dem Rad weiter zu fahren.

Kaum sind die Räder ausgeladen, braust der Wagen mit quietschenden Reifen davon. Frierend stehen wir in der stockfinsteren Nacht mitten in der Wüste vor einem chinesischem Kontrollposten. Ungewiss, ob wir diesmal durchkommen überlegen wir, ob es eine schlaue Idee ist, ohne Licht an den Wachmännern vorbeizufahren.

Wir entscheiden uns, mit Licht und ganz selbstverständlich weiterzufahren, was auch bestens gelingt. Die Wachmänner grüßen freundlich und wir passieren den Kontrollposten ohne Schwierigkeiten.

Mein Herz schlägt bis zum Hals vor Freude und ich versuche meine erste Nachtfahrt auf der Reise zu genießen. Der Sternenhimmel ist traumhaft, die Temperaturen erträglich und kurze Zeit später erscheinen auch schon die Lichter von Yengisar.

Dort angekommen suchen wir ein Hotel, was zu dieser Uhrzeit sehr sehr schwierig ist. Hintergrund: Als ausländischer Tourist darf man nur in bestimmten (Touristen-)Hotels übernachten. Diese sind meist extra eingezäunt und bewacht.

Daher gibt es unter diesen Umständen mindestens zwei Barrieren mehr zu überwinden, um an ein warmes Bett zu gelangen:

  1. Wachmann wach machen
  2. Rezeptionistin wecken Oft kommt auch noch ein dritter Punkt hinzu:
  3. Rezeptionistin überzeugen, dass man hier ein Zimmer beziehen MUSS, da sonst keine andere Schlafmöglichkeit in der Stadt existiert.

Das ist meist der schwierigste Punkt.

Zum Glück treffen wir auf der Straße einen Chinesen, der uns bei 1) hilft. 2) wird von uns höchstselbst erledigt, da sich die Eingangstür nur sehr lautstark öffnet.

Bei 3) hilft uns die Polizei, die von der völlig überforderten Rezeptionistin gerufen wurde. Es erscheinen fünf Polizisten. Ein Polizist kann gut englisch und übersetzt uns. Als die Sachlage allen klar ist, dürfen wir für eine Nacht in dem Hotel übernachten.

Auf dem Zimmer feiern wir unseren Triumph über die chinesische Sturheit in der Hotelbranche und trinken auf die netten Polizisten, die uns heute echt weitergeholfen haben. Auf unserem Tacho stehen 127 Kilometer und wir sind nur einen Steinwurf von Kashgar entfernt… erschöpft und sehr erleichtert schlafe ich ein.

Nach einer kurzen Nacht beginnt der restliche Tag des 29. September erstmal mit einem ausschweifenden Mittagstisch. Die 130 Kilometer bis nach Shache sind dadurch erträglich.

Meine erste Wüsten-Fahrt ist ernüchternd. Die Sicht ist durch aufgewirbelten Sand auf wenige Kilometer beschränkt. Man sieht weder die Berge des Himalaya-Gebirges noch die nächste Stadt. Dazu ist es schwül-heiß und windig. Und das für Wochen (http://www.flickr.com/photos/christian-trabold/tags/taklamakandesert/).

Highlights der Wüsten-Zeit sind#

  1. iPod hören. Per Zufallsmodus werden mir Lieder vorgespielt, die perfekt zur Situation passen und die Ewigkeit etwas verkürzen. Beispiele: Peter Licht - Gerader Weg oder Keep On Moving Isolee Rmx… Herrlich!
  2. Ankunft in einer Oase. Nach der langen sand-braunen Phase ist jeder Tupfen Grün Balsam für die Seele!
  3. Halbgefrorenen Eistee trinken. Anfangs gibt es noch regelmäßig Buden am Straßenrand, die kühle Getränke anbieten. Zum Teil sind die Flaschen gefroren, was der trockenen Kehle sehr gut tut.
  4. Toilette mit funktionierendem Abfluss. Plumsklos sind besser als europäische Klos ohne Spülung.

Miesepunkte:#

  1. Sehr anstrengend sind die Brückenbauarbeiten an der Straße. Dadurch müssen wir den guten Belag verlassen und auf Staubpisten weiterfahren. Meist sind diese Abschnitte mehr als 40 Kilometer lang und es dauert Stunden, bis die Straße wieder durchgängig befahren werden kann. Zudem schmerzen die Handgelenke unangenehm, weil das Rad so oft durch knöcheltiefen Staubsand geschoben werden muss. Spurrillen im Staub führen zu leichten Um(n)fällen.

  2. Fehlinformationen auf unseren Landkarten. Ich führe drei Karten mit: eine chinesische Karte (Stand 2009), eine aus deutschem Hause (2008) und eine ungarische (2007?). Alle drei zeigen unterschiedliche Streckenverläufe und Städte an. Die chinesische Karte weißt sogar jedes Toilettenhäuschen als Stadt aus (weißer Punkt), was vor allem in der noch kargeren, wasserloseren Wüste von Qinghai fatale Folgen haben kann!

  3. Wind. Ab 11 Uhr bis 19 Uhr herrscht auf der Straße eine dermaßen steife Brise, dass trotz vollem Körpereinsatz die Geschwindigkeit weit unter dem Durchschnitt liegt. Einziges Rezept gegen diesen Krampf: Nachtfahrten.

So vergehen die Tage in der Taklamakan-Wüste und am 16. Oktober erreichen wir Qinghai über einen der längsten und kräftezehrendsten Anstiege. Die Muskeln sind nach der Wüste leer. Es gibt keine leicht verdaulichen Proteine, um die Muskeln zu stärken, die Mehlspeisen zu süß, um lange Energie zu liefern.

In Qinghai erwartet uns das Qaidam Basin (http://www.flickr.com/photos/christian-trabold/tags/qaidambasin/) mit einer grauen Sandwüste und NEU! interessanten Felsen. Sogar ein See ist in Aussicht! Es macht deutlich mehr Freude hier zu fahren!

Die erste größere Stadt Huatugou lädt mit ihren zahlreichen Restaurants und Internet-Cafes zu einem Rast-Tag ein. Die meiste Zeit verbringe ich mit Essen und dem Bildupload auf Flickr.

Am 18. September geht es wieder zurück in die Wüste. Ich bin heute 5 Monate unterwegs, dennoch ist mir nicht zum feiern zumute. Bei Temperaturen um -10 Grad Celsius geht es morgens aus dem Schlafsack. Tagsüber misst das Thermometer maximal 10 Grad und irgendwann ist auch die schönste Felslandschaft … Felslandschaft.

Highlight dieser Tage ist mein Felgenbruch, den ich erst 100 Kilometer nach Huatugou bemerke und die Busfahrt nach Delingha (s.u.).

Wenn es in dieser Wüste mehr Versorgungsstellen gäbe, wäre es weitaus interessanter. Landschaftlich hat es mir hier besser gefallen als in der Taklamakan-Wüste.

Dennoch bin ich froh, dass sich die Landschaft wieder mehr mit grün füllt.

Ich fahre durch tiefgrüne Schluchten Richtung Xining und bin gespannt, wie sich die Landschaft um Chengdu – meinem nächsten Ziel – ändert.


Ort: Xining, Xining, Qinghai, China GPS: 36.61666488647461, 101.76667022705078