Mittwoch, 21 Oktober 2009#

Eiskalte Sandstrahler#

Die letzten Tage sind vor allem eines: SEHR kalt!

Es sind sternklare Nächte. Morgens wache ich bei -10 Grad Celsius und weniger auf. Tagsüber steigt das Thermometer kaum über 10 Grad. Der Wind ist eisig. Im Windschatten wärmt die Sonne etwas.

Abends erlaubt ab und an ein kleines Feuer (ich habe ein paar Holzstücke im Sand gefunden) kurze romantische Minuten in der Wüstennacht, aber sobald die Sonne weg ist verkriechen wir uns rasch ins Zelt.

Ich fühle mich gut ausgerüstet - wusste ja dass es kalt wird - und friere dank der guten Kleidung kaum.

Der Schlafsack ist am Limit, aber noch ausreichend warm. Nachts lege ich meine Jacken drüber und stopfe den Fussteil mit meiner Radhose aus. Das Trikot lasse ich an. Morgens bin ich so mit wenigen Handgriffen warm angezogen.

Alle Körperteile sind in Ordnung und bestens intakt.

Dennoch habe ich durch diese Umstände beschlossen, auf weitere Berge zu verzichten und so schnell wie möglich in den wärmeren Süden zu ziehen.

In der Wüste ist tagelang ewig weit nichts ausser Sand und Fels zu sehen. Bin dadurch etwas ins Zweifeln gekommen, weil ich in dieser Ödnis mein China-Visum “verbrauche” und noch gar nicht viel von China gesehen habe.

Bin gerade in Delingha und versuche, mein Visum um weitere 30 Tage zu verlängern.

Da der Weg doch länger ist als ursprünglich angenommen, entscheide ich mich für die Fahrt mit dem Nachtbus. Ron begleitet mich. Noel fährt alleine weiter. Wir planen eine gemeinsame Weiterfahrt ab Delingha.

Und so warten Ron und ich fünf Stunden lang in einer kleinen Siedlung mitten in der Wüste auf den Nachtbus Richtung Delingha. Bis kurz nach 19 Uhr ist unklar, ob der Bus hier überhaupt hält und ob er uns mitnimmt.

Um 19:13 Uhr scheuchen uns zwei Frauen vom Esstisch und zeigen uns an, dass der Bus um 19:30 Uhr vor dem Laden stoppt. Schnell bezahlen wir unser Essen und Bier und bereiten unsere Räder auf die Fahrt vor.

Und tatsächlich: Pünktlich hält der Bus und ein paar Diskussionen später sind unsere Taschen verstaut und die Räder hängen zwischen den Betten. Das ganze wird von duzenden chinesischer Augen verfolgt, die uns verschlafen aus den Fenstern anstarren.

Als Trost sitzen wir ganz vorne beim Fahrer, geniessen bei ruhigem Motorenbrummeln den sternen-besetzten Wüstenhimmel, erhalten Obst und gute Ratschläge für die Weiterfahrt.

Gegen 23 Uhr wird die Stimmung ruhiger als mitten in der dunklen Nacht plötzlich ein grosser Sandhügel auftaucht - auf der Strasse! Ohne Ankündigung (!) ist ab hier die Weiterfahrt gesperrt. Kein Schild, keine Beleuchtung, nichts!

Beim Versuch auf die Nebenstrecke zu wechseln bleibt der Bus quer im Sand stecken. Mit vereinten Kräften hieven wir ihn wieder aus der Versenkung. Der Riss in meiner rechten Schuhsohle ist wieder etwas größer geworden. Total verstaubt und erschöpft fahren wir weiter.

Kurze Zeit später befinden wir uns auf der Nebenstrecke und tratschen so gut es geht mit den Mitreisenden über unsere Reise. Dann tut es einen Schlag und der Bus überfährt ein junges Reh. Es wird kurzerhand in den Bus gehievt und es geht weiter.

Durch diese Umstände erreichen wir Delingha leider erst gegen 2 Uhr in stockfinsterer Nacht. Eine Geisterstadt erwartet uns. Es wimmelt von blinkenden Hotels, doch keines mag uns aufnehmen - auch die “Touristen-Hotels” weigern sich.

Sehr nervig und trotz Erzählungen anderer Chinareisender schwer zu verdauen: selbst in den für Touristen “freigegebenen” Hotels spricht bis jetzt KEINER auch nur einen Brocken Englisch. Ein kleines Wörterbuch hilft uns zum Glück weiter.

In fünf Hotels winken uns verschlafene Rezeptionistinnen unmotiviert ab… bis Rons Geduldsfaden platzt. Durch sein etwas schrofferes Auftreten bekommen wir dann doch eine Luxus-Suite und können uns endlich duschen, aufwärmen und entspannen.

Morgens geht’s gleich zum Polizeirevier. Zum Glück kann der Beamte etwas Englisch. Dennoch dauert alles elend lang. Der Drucker spinnt… wir sollen morgen wieder kommen.

Ausserdem macht uns der Beamte deutlich, dass wir uns hier in einem Bereich befinden, der für Touristen gesperrt ist. Die Recherche auf der englischen Wikipedia-Seite erklärt: “It is closed off to foreigners due to nuclear testing.” (http://en.wikipedia.org/wiki/Delingha)

Wenn ich das neue Visum in der Tasche habe, fahre ich entweder mit dem Rad, Bus oder Zug über Xining Richtung Lanzhou (http://de.wikipedia.org/wiki/Lanzhou).

PS: Da ich meine Website nicht aufrufen kann (Blogger wird hier geblockt), kann ich auch keine Kommentare freischalten. Ich freue mich jedoch über jede Nachricht und natürlich auch über Bilder (am besten für iPod optimiert - also nicht zu gross)!


Ort: Delingha, Delingha, Qinghai, China GPS: 37.36444091796875, 97.36331176757812