Sonntag, 27 September 2009#
Welcome in China - Von Irkeschtam nach Kaschgar#
- bis 27. September - Von Irkeschtam nach Kaschgar

Der letzte Tag in Kirgistan beginnt mit reichlich Frühstück und Tee. Die letzten SOM haben Noel und ich gestern in Essen und Bier investiert.
Es ist windstill. Der Fluss plätschert und die Sonne wärmt. Die Berge um uns herum sind in rosa-rotes Licht getaucht. Es scheint, als ob uns Kirgistan einen besonders angenehmen Abschied bereiten mag.

Etwas Sorge machen mir die “Öffnungszeiten” der Grenze. Durch die Zeitverschiebung auf chinesischer Seite (Bejing-Time) ist kurz nach dem Öffnen der Grenze auf kirgisischer Seite auf der chinesischen Seite Mittagspause. Hoffentlich sind wir rechtzeitig dort.

Wir sind optimistisch und rollen anschließend mit Tempo 60 über den Hügel zur Grenze. Unter den Augen dutzender LKW-Fahrer rollen wir gelassen aus und passieren den 2., 3. und letztlich auch den 4. kirgisischer Kontrollpunkt (den 1. Kontrollpunkt haben wir schon seit 20 Kilometern hinter uns). Bei jedem Kontrollpunkt wird das selbe geprüft: Reisepass, Ein- und Ausreise-Stempel, Visa. Durchschnittliche Aufenthaltsdauer pro Kontrollpunkt: 20 Minuten inkl. Smalltalk mit Beamten.

Danach geht es einem kleinen, engen und staubigen Anstieg an einer weiteren LKW-Schlange vorbei, bis uns ein Schild “Welcome in China” anzeigt, dass wir uns auf chinesischem Boden befinden. Stiller Jubel, denn die Atmosphäre ist steif und kühl. Geprägt von Militärdrill, Staubmasken und LKW-Lärm. Völlig anders als auf der kirgisischen Seite.
Aus dem Passhäuschen winkt uns eine Hand herbei. Kaum liegt der Pass in chinesischer Hand, brüllt uns aus dem Hinterhalt ein Beamter zusammen und jagt uns wieder vor das Welcome-Schild.
“First Check Luggage, then Passport!!!” erklärt er uns und wir müssen alle unsere Taschen öffnen (“You open - I see!!”). Jedes Ausrüstungsteil muss erklärt werden. Mehrfach weht der Wind unsere Papiere weg, was dem Beamten völlig egal ist.
Danach geht es zum 2. chinesischem Grenzposten. Schnell drücken wir unsere Räder über die rutschige Treppe ins Innere des Gebäudes, füllen die Immigrationskarte aus, lassen Fieber messen und unser Gepäck durchleuchten, noch mal Reisepass kontrollieren…
Als ich meine Taschen wieder aufs Rad montiere, stelle ich zu meiner Überraschung fest, dass ich alleine bin. Wo ist Noel? Seine erste Fiebermessung war positiv, die Zweitmessung dann OK. Es gab etwas Diskussion, weshalb es bei ihm etwas länger gedauert hat.
Dann werden wir - schnell schnell schnell! - aus dem Gebäude gewunken. Der Magen der Beamten knurrt und wir sind - pünktlich vor der Mittagspause - wirklich echt in China! Direkt nach uns werden die Türen der Grenze verschlossen.
Die Freude ist gross und wir feiern unsere reibungslose Einreise ins neue Land mit einem grossen Teller Lagman direkt im Grenzort Sumhana. Diesmal nicht still, sondern mit echt authentischem Geschmatze und anderen chinesischen Tischlauten (http://www.flickr.com/photos/christian-trabold/tags/irkeshtam/)

Fazit: Der beste Lagman bis jetzt! Völlig neue Geschmacksknospen werden stimuliert. Ich freue mich auf die neue Küche, obwohl die Speisekarte voll mit unbekannten Zeichen ist. Keine englische Übersetzung, nichts!
Erfreulicherweise gibt es neben dem Restaurant auch ein paar Lebensmittel zu kaufen. Mit Händen und Füßen ersteigern wir Obst, Gemüse und Wasser für die Weiterfahrt. Der Verkäufer lacht und schenkt uns eine Zwiebel und eine Melone für die Weiterfahrt. Danke!
Der Wechsel ins neue Land ist massiv: braune Berge, perfekte Straßen, neue Schrift und kein russisch mehr. Die Schilder sind zwar weiterhin zweisprachig: vorher kyrillische und lateinische Schrift, diesmal arabische und chinesische Schrift.
Kenntnisse sind in keiner dieser Sprachen vorhanden. Also erstmal null Orientierung und eine gewisse Unsicherheit. Zum Glück geht die Straße immer schnurgerade aus Richtung Ulugqat, so dass wir die Schilder erstmal ignorieren können. Dennoch ein interessantes Gefühl.
Mit über 75 Sachen heizen wir durch die neue, lehm-braune Landschaft. Es geht auf und ab. Vor der Dunkelheit steht das Zelt hinter Sandhaufen am Straßenrand. Wenige Meter weiter brummen die LKW vorbei. Die erste Nacht in China ist daher recht laut. (
)Als wir das erste Dorf erreichen bin ich besonders gespannt auf die Menschen. Wie reagieren sie auf die seltsamen Menschen auf Rädern?
Es ist erstaunlich: Mit dem Grenzübergang scheinen sich auch die Menschen verändert zu haben. Es gibt kein wildes Gekreische mehr, kein unfreundliches “Hey Tourist! Tourist!”. Statt dessen freundliches Lächeln und leises Winken. Toll! Danke!
Die weitere Strecke ist geprägt von interessanten Felsstrukturen, Lehmhütten, Kamelen und dem Roten Fluss. Der Rückenwind ist stark und wir fegen gemeinsam mit Höchstgeschwindigkeit die Berge runter Richtung Kashgar (http://www.flickr.com/photos/christian-trabold/tags/ulugqat/).
Vor Kashgar wird die Straße eine echte Autobahn (
Der Verkehr wird durch die zahlreichen Kontrollpunkte schön ausgedünnt, so dass wir die Fahrbahn fast für uns alleine haben. Das Fahren macht richtig Spaß. So viel Platz!
In Kashgar-Stadt gibt es leider mehrere brenzlige Situationen mit Mofafahrern. Die meisten Mofas haben Hybrid-Motoren und fahren in der Stadt mit dem Elektroantrieb. Nur am Berg knöttern sie los. Gepaart mit der (für uns) äußerst rücksichtslosen Fahrweise ist das ein echter Schock und verdammt ungewohnt und damit gefährlich.
Ich wünsche mit ein extra-lautes Hup-Horn, kann aber nirgends eins finden.
Ja, die Großstadt überfordert uns (Einheimische werden darüber schmunzeln). Erste Versuche, Einheimische zwecks Orientierungshilfe zu Rate zu ziehen, scheitern völlig. Sie verschlimmern die Orientierungslosigkeit noch mehr.
Wir folgen unserem Gefühl und finden auch kurz darauf einen Buchladen, in dem ich eine Karte kaufe und Ron wieder treffe. Wir hatten uns in Bischkek getroffen. Außerdem hatte Noel ihn in Georgien kennen gelernt.
Ron führt uns in sein Hotel. Beim anschließenden Festessen feiern wir unsere Ankunft und das Wiedersehen.
Am nächsten Tag wechseln wir in das günstigere YouthHostel am anderen Ende der Stadt, wo wir eine gute Woche verbringen wollen, bevor es in die große weite Wüste geht.
Ort: Kashi, Kashi, Xinjiang, China GPS: 39.46018981933594, 75.98175048828125