Sonntag, 20 September 2009#
Auf nach China!#
- bis 20. September

Pünktlich verlassen Noel und ich Osh Richtung Guelchoe. Die Strasse ist bis zum Pass gut ausgebaut und wir kommen gut voran.


Am meisten halten die Viehherden auf, die von den Bergen ins Tal gescheucht werden. Eine lustige Abwechslung zur recht oeden Landschaft.
Ich bin aufgeregt und spüre nach der langen Pause bei jedem Anstieg den Puls im Hals.
Im Tal ist es schwül-warm, auf dem Pass sehr frisch. Dunkle Wolken umgeben uns.
Die rasante Abfahrt wird durch die Baustelle unterbrochen. Von einem Meter auf den anderen verschwindet der gute Strassenbelag und weicht steinigem Staubweg.
Bei einer kurzen Rast beschliessen wir, so schnell wie möglich unsere Zelte aufzubauen. Über uns hängen schwarze Gewitterwolken. Die laute Baustelle hat das Donnergrollen verschluckt und uns bleibt nur noch wenig Zeit. Zum Glück ist ein paar Meter weiter ein hübsches Plätzchen in Sicht und wir schieben unsere Räder von der Strasse.
Als ich den ersten Hering in den Boden drücken will, fegt mit einem Mal ein Sturm durchs Tal, dass ich mein Zelt mit beiden Händen festhalten muss. Noel ist von seiner Zeltplane eingewickelt. Regen peitscht auf uns herab. Dann schlagen erbsengrosse Hagelkörner auf uns ein.
Nach 10 Minuten geben wir unser Vorhaben auf, brechen im wahrsten Sinne unsere Zelte ab und suchen Unterschlupf im hundert Meter entfernten Schäferhaus, wo wir bei Tee und Brot am warmen Ofen unsere durchnässten Kleider trocknen. Als Dank bieten wir unsere Riegel, Nüsse und Trockenfrüchte an.
Leider ist die Kommunikation schwierig. Die älteste Tochter kann etwas englisch. Dennoch lachen wir viel und wärmen so auch unsere Herzen.
Es regnet noch lange in die Dunkelheit hinein. Als es aufhört, verabschieden wir uns und gehen zurück zum Zeltplatz.
Noels Sachen sind total durchnässt. Mein Zelt ist innen trocken geblieben und so beschliessen wir, die Nacht gemeinsam in meinem Zelt zu verbringen. Gut, dass ich ein Zweimannzelt mitgenommen habe :)
Am Morgen laeuft alles viel besser. Trotz der feuchten Nacht bin ich ausgeruht und habe Lust auf Bewegung. Heutiges Tagesziel ist das 60 Kilometer entfernte Sopu-Korgon.
Ich habe etwas Sorge, dass ich die Kleidung nicht mehr trocken bekomme und alles gefriert, wenn es draussen kälter wird. Zum Glück siegt ab und zu die Sonne über die Regenwolken, so dass die wichtigsten Stellen etwas trockener werden können.
Auf der Strecke gibt es mehrere Teestopps und traumhafte Konfitüre mit frischem Brot. So können wir für kurze Zeit unsere nassen Sachen vergessen, den Strassenstaub abschütteln und neue Energie tanken.
Was heute richtig nervt sind die Kinder. In Sopu-Korgon komme ich mir vor wie im Affenhaus. Schnell raus hier ist die Devise.
Die Strasse wird spürbar schlechter und wir drücken uns mit schwerem LKW-Verkehr über die engen Wege.
In der Abendsonne finden wir unweit der Strasse eine Buschgruppe, wo wir uns verstecken können. Der Regen und vorbeilaufende Kirgisen machen leider unser Vorhaben “Lagerfeuer” zunichte. Daher geht es nach dem Abendessen früh in den warmen Schlafsack.
Der Morgen des 18. September läd zum Feiern ein. Ich bin heute vier Monate unterwegs und befinde mich auf dem Pamir-Highway! Heute geht es hinauf zum Pass! 3615 Meter hoch über den Taldyk Pass Richtung Sary-Tash (http://en.wikipedia.org/wiki/Sary-Tash / http://en.wikipedia.org/wiki/Alay_Valley).
Die Morgensonne setzt die Berge um uns herum in ein warmes Licht und nach ein paar Aufwärmübungen treten Noel und ich auch schon fröhlich in die Pedalen. Es geht sofort bergan und die klirrende Kälte ist schnell kein Thema mehr.
Die ersten Kilometer fahre ich staunend durch faszinierende Bergformationen. Immer wieder gucken die grossen Berge des Pamir-Gebirges aus dem Hintergrund hervor. Respekteinflößend. Atemberaubend. Schön!
In einem Truckstopp vertilgen wir einen grossen Teller Lagman. Anschliessend nutzen wir die kräftige Sonne, um unsere Sachen zu trocknen. Der Wind hat wieder Sturmstärke angenommen. Vor der Rast war es windstill, nun zieht es wieder meisterlich und unsere Sachen sind im Nu trocken.
Nach dem letzten Dorf geht es hoch zum Pass. LKW und Wind wirbeln Staub auf, dass die Sicht auf wenige Meter schwindet.
Bei einer Rast treffen wir Markus aus Leipzig. Er ist mit seiner Freundin aus Japan unterwegs nach Deutschland.
Nach der Rast wird die Strasse zum Staubsumpf und die Steigung nimmt deutlich zu. Bis übers Ventil versinken die Räder in feinstem braunen Staub. Beim Ausweichen für stärkeren Verkehr bleibt das Rad mehrfach im zentimeterhohen Staub stecken. Bei mancher Kurve hebt das Vorderrad ab. Das Atmen wird beschwerlich. Jeder Meter tut weh.
Auf dem Pass feiern Noel und ich die Ankunft wie ein Fest. Unser Jubel ist sicher weit über Kirgistan hinaus zu vernehmen und wir freuen uns vom ganzen Herzen, trotz der Umstände den höchsten Pass unserer Reise bezwungen zu haben. Trotz Abenddämmerung machen wir so viele Fotos wie möglich.
Dann beginnt die Abfahrt. Ab jetzt geht es laut Karte die letzten Meter bergab Richtung Sary-Tash. Leider wird aus dem “Katzensprung” eine kleine Nachtfahrt ins Ungewisse, denn es sind weit und breit keine Lichter zu sehen. Zu allem Überfluss geht es auch noch mal stramm den Berg hoch.
Am Ende unserer Kräfte halten wir dann an einem Lehmgebäude an und fragen, wie weit es noch bis Sary-Tash ist. Durch unsere helle Erscheinung (Rad- und Stirnleuchten) verscheuchen wir die Kirgisen erstmal, erfahren dann aber mit grosser Erleichterung, dass wir uns am Zielort befinden.
Wenige Minuten später finden wir in der warmen Stube der Gastiniza Aida Unterschlupf und geniessen ein festliches Abendmahl. Am Ofen wärmen wir unsere durchfrorenen Glieder und fallen in einen langen Schlaf.
Der Morgen des 19. September ist geprägt von Aufbruchstimmung. Morgen ist Ende des Fastenmonats Ramadan und allerorten werden Ziegenböcke geschlachtet und die Wohnung geputzt.
Als wir unsere Räder packen, zuckt wenige Meter der Bock unseres Hausherren. Bei Abfahrt ist er schon gehäutet und ausgenommen. Der Hund erfreut sich am Rest.
Die Nacht war erholsam und wir beschliessen, das Wochenende zu nutzen, um mit wenig Verkehr die chinesische Grenze zu erreichen (am Wochenende ist die Grenze geschlossen).
Der Blick vom Dorf Richtung Berge ist umwerfend. Schneeweisse Berge stehen vor uns. Nach einer längeren Suche nach dem Einkaufsladen im Dorf biegen wir auf die Strasse Richtung Narbu.
Nach wenigen Kilometern wird die Strasse 1A und wir gleiten lautlos mit leichtem Rückenwind an den weissen Riesen vorbei. Pures Radfahrerglück. Emotional kaum zu verarbeiten.
Später wird die Strasse wieder extrem schlecht und sehr Kräftezehrend. Meine Kopfschmerzen verschlimmern sich. Beim Zelten passen die Gestänge nicht richtig und der Wind spielt mit mir.
Durch die guten ukrainischen Schokowaffeln aus Osh verbessert sich meine Stimmung dann beim Abendessen wieder erheblich. Beeindruckend, wie nahe Höhepunkt und Tiefpunkt beim Reisen beisammen liegen.
Das Bergpanorama nehme ich mit in den Schlaf und wache am nächsten Morgen gespannt auf. Ist es wirklich wahr, dass ich es bis hier hin geschafft habe? Sind die Berge wirklich da?
Beim Frühstück falle ich beim Blick auf diese Kulisse in eine tiefe Meditation und werde erst Minuten später von Noels Freudentaumel wieder ins Jetzt geholt.
Ein Schaefer ist mit seinem Sohn herbei geritten und lässt uns reiten! Und so geniesse ich meinen ersten Ritt vor dem Traumpanorama.
Nach dem sanften Ritt auf dem treuen Pferd folgen knallharte Kilometer auf der Seidenstrasse. Der Weg ist mit spitzen Steinen gespickt und extrem anspruchsvoll.
Nach 42 Kilometern erreichen wir dann den kirgisischen Grenzposten und fahren weiter Richtung Irkeschtam (http://de.wikipedia.org/wiki/Irkeschtam). Morgen können wir die Grenze passieren. Heute geniessen wir noch mal einen schönen kirgisischen Zeltplatz, wenige Kilometer vor der Grenze am roten Fluss.
Ort: Gora Sary-Tash, Osh, Kyrgyzstan GPS: 40.21666717529297, 73.55000305175781