Samstag, 29 August 2009#

Der letzte Pass ist echt kein Spass#

Die letzten Tage habe ich hauptsächlich von einem Laib Brot und Wasser gelebt. Nur selten gab es in den Siedlungen Einkaufsmöglichkeiten. Kekse sind der kulinarische Höhepunkt.

Auf dem Pass zwischen Song-Köl und Kazarman kommt mir Mario mit seiner amerikanischen Freundin Sheri entgegen. Wir finden zusammen einen blick-geschützten Zeltplatz und errichten vor einem herrlichen Bergblick unsere Zelte auf.

Heute gibt es zum ersten Mal seit langem wieder richtig echt gekochtes Essen: Nudeln mit Tomatensauce! LECKER! Danke dafür!

Die beiden sind mit dem Rad auf den Weg zu den Philippinen und wollen dort nächstes Jahr heiraten.

Wünsche euch eine gute Reise und schöne Flitterwochen!

Zum Glück hatte ich noch Energieriegel aus Deutschland, sonst wäre es am Berg eng geworden. Dieser Reiseabschnitt ist bis jetzt das härteste, was ich je auf dem Rad erlebt habe. Und der nächste große Pass Kazarman- oder auch Kaldama-Pass steht mit über 3000 Metern noch bevor.

Wir sind alle entsetzt über den Zustand der Wege und unterhalten uns bis tief in die Nacht und zählen die Sternschnuppen. Es ist ansonsten absolut still. Mario versichert mir, dass die Straße besser wird.

Die nächsten Tage kämpfe ich mich durch wüstenähnliche Landschaften und finde kurz vor dem Pass den Zeltplatz am Fluss, wo ich zwei Tage übernachte. Danach geht es hinauf.

Ich bin total aufgeregt. Schon nach wenigen Metern schießt der Puls unangenehm in die Höhe. Mein Bauch meldet sich zu Wort und mir ist wieder elend.

Fast mit Freude sehe ich, dass sich in der Ferne ein Unwetter zusammenbraut. Ich flüchte ins nächste Blumenfeld, baue das Zelt auf und schlafe tief und fest, während der Regen aufs Zelt prasselt. Zwei Stunden später werde ich von Hitzewallungen geweckt. Die Sonne brennt wieder vom Himmel.

Ich mag heute den Pass besiegen - daher fahre ich weiter, wobei jede Muskelfaser sich nach Ruhe sehnt.

Der Weg wird tatsächlich besser bzw. gleichmäßiger und fester im Untergrund. Er führt durch ein verwunschenes Tal mit verlassenen Häusern und verwackelten Brücken, oft wäscht der Bergfluss die Straße aus.

Mit Energiegels peitsche ich Meter für Meter hoch. Ab der Hälfte kommen mir vor den Kurven meterhohe Staubtürme entgegen. Als ich um die Kurve biege, schlägt mir orkanartiger Wind ins Gesicht. Da ich darauf nicht gefasst bin, falle ich samt Rondolf einfach um.

Das (ernste) Spielchen wiederholt sich ab jetzt bei jeder Kurve. Bei Rückenwind kann ich manchmal sogar im vierten Gang die Steigung hochfahren. Bei Gegenwind ist schieben und schreien in der innersten Kurve angesagt - denn der Wind kann einen problemlos auch ins Tal befördern.

Meter für Meter komme ich dem Pass näher. Der Blick ist stur, teils auch über Kreuz. Die Höhe macht mir heute echt zu schaffen.

Der Himmel wird immer dunkler und die Strommäste ächzen drohend im Wind, staub prasselt gegen meine Skibrille, die ich extra für solche Extremsituationen eingepackt habe. Alles andere würde einfach vom Gesicht geweht.

Zum Glück ist das letzte Stück recht windgeschützt, so dass ich gut und sicher vorankomme. Auf dem Pass selbst bleibt mir kaum Zeit für romantische Bilder. Außer Wolken ist sowieso kaum was zu sehen und beim Erreichen der Passhöhe fängt es hinter mir an zu donnern. Schnell weg hier!

Marios Aussage bewahrheitet sich zum Glück. Angetrieben von dem Wolkenungetüm über mir lege ich der Abenddämmerung eine rasante Abfahrt hin und brettere mit fast 40 Sachen an den schreienden, pfeifenden Jurten vorbei.

Bald darauf finde ich einen sicheren Zeltplatz unter einer alten Birke. Es duftet herrlich nach Holz und Kräutern. Kaum steht das Zelt, fängt es heftig an zu regnen. Blitz und Donner zerreißen die Nacht. Die Stromleitungen über mir geben Schutz.

Ich habe heute echt Schwein gehabt! Ab jetzt geht es runter Richtung Jalalabad, brummel ich und falle in einen tiefen Schlaf.


Ort: Naryn, Osh, Kyrgyzstan GPS: 41.52799987792969, 72.45809173583984