Samstag, 27 Juni 2009#
Geduld
Um kurz vor 6 Uhr wache ich auf und packe. Nach dem ausgedehnten Frühstück fahre ich in die Touristen-Information und erkunde mich, wie ich aus der verwirrenden Stadt herausfinde.
Nach wenigen Minuten regnet es wieder. Sehr zur Belustigung der anderen Touris ziehe ich meine Regenmontur an und fahre im strömenden Regen los.
Ein paar Kilometer weiter treffe ich auf den Greenways-Radweg. Die Freude darüber lässt mich kurz die erniedrigende Nässe vergessen, in der ich mich seit Tagen befinde.
Dank Ruhetag sind die Sachen endlich mal wieder vollständig getrocknet. In wenigen Minuten ist dieser Luxus jedoch Geschichte. Als kleiner Trost ist es relativ warm und der Wind angenehmer als die letzten Wochen.
Die Pfützen sind riesig und heimtückisch. Hellgelbe Schlammbrühe verdeckt so manches Schlagloch und Rondolf muss einige Schläge einstecken.
Schon nach wenigen Kilometern schmatzen die Schuhe bei jedem Tritt und ich spüre wie meine Füße langsam aufquellen.
Als plötzlich ein Hund ohne Vorwarnung aus einer Einfahrt schießt, platzt bei mir der Geduldsfaden. Er ist sofort an der Pedale und knurrt. Ich steige schnell ab, lande mit dem rechten Fuß in einer knöcheltiefen Pfütze und sehe, wie der Köter das Weite sucht.
Langsam und fluchend schiebe ich das Rad weg. Wenige Schritte später klebt das Gebiss des Hundes wieder weit geöffnet an meinem Hinterreifen.
Ein Urschrei folgt und ich jage den Hund in seine Einfahrt zurück. Dort bleibt er dann auch und bellt mir “nur” noch dumm nach.
Für alle, die immer noch nicht nachvollziehen können, dass man diesen Kläffern in solchen Situationen gerne umgehend das Fell über die Ohren ziehen möchte: der Schreck-Moment und die pure Aggression, die einem in diesem Moment entgegen schwappt, lässt Urängste und dann auch Aggressionen frei. Da ist nichts von “Bester Freund des Menschen” mehr erkennbar (Katzen machen das übrigens wesentlich intelligenter und ducken sich leise weg).
Nun sind meine Füße endgültig nass. Bedröppelt fahre ich weiter.
Nach ein paar Metern spüre ich, dass mein Hinterrad seltsam eiert. Als ich anhalte, sehe ich noch die letzten Luftblasen seitlich aus dem Reifen blubbern.
Da ist er also: mein erster Platten, mitten in der Pampa, rings herum nur Feld und Matschpfützen. Über mir Regenwolken. Schnell suche ich mir eine Stelle, auf der ich meine Sachen ablegen kann und beginne, den Reifen zu flicken.
Der starke Wind macht die filigrane Handhabung von Reifen und Flickzeug unmöglich. Wasser sammelt sich im Reifen. Frustriert breche ich den Versuch ab und schiebe zur nächsten Straße. Vielleicht gibt es dort eine Möglichkeit, mich unter zu stellen.
Auf dem Weg fällt mir ein, dass es viel schlauer wäre, einfach den Schlauch zu tauschen und den Reifen später zu flicken. Gesagt getan und 20 Minuten später rolle ich wieder.
Im Wald beginnt der Reifen jedoch wieder zu eiern. Ich fluche. Hab ich doch tatsächlich den Verursacher bei meiner Kontrolle “überfühlt”!
Die restlichen Meter bis nach Auschwitz ziehen sich unglaublich. Ich komme einfach nicht voran. Immer wieder pumpe ich den Hinterreifen auf und hoffe, dass er bis zum Ziel hält.
Er hält und überglücklich ziehe ich im Hotel “Centrum” ein. Von hier aus sind es nur wenige Meter bis zum Museum Auschwitz, das ich mir morgen anschaue.
Der mit Abstand härteste Tag geht nun doch gemütlich zu Ende. Unglaublich.
Ort: Chrzanów, Chrzanów, Lesser Poland, Poland GPS: 50.13333511352539, 19.399999618530273