Donnerstag, 11 Juni 2009#
Kolín, Kolín! Christiòn fährt nach Kolín!#

Der Tag beginnt um kurz nach sieben ungewohnt früh mit Frühstück. Laut Portier gibt es dies nur von 7-8 Uhr (was sich als falsch herausstellt).
Das leckere Roggenmischbrot mit Kümmel entschädigt das und vertreibt die Morgenfalten schnell. Das Brot ist wie immer frisch und bekömmlich.
Nach einer kurzen Radinspektion mache ich mich auf gen Nymburk. Mit frisch geölter Kette gehts auf eigene Faust weiter. Den Weg zurück zum Radweg 24 spare ich mir, da ich auf kurz oder lang sowieso wieder auf diesen Weg stoße. Zuversichtlich folge ich dem Weg Nummer 0019.
Die vierstellige Nummer verrät schon, dass mich hier wieder eine Strecke der vierten, “untersten” Kategorie erwartet. Das bedeutet, die Wege verlaufen meist auf unbefestigtem Grund, sind recht schmal und führen eher von Dorf zu Dorf.
Der Weg ist anfangs auch nicht mehr als ein Trampelpfad und außer Pferdehufen sehe ich keine anderen Spuren. Oft sind zwischen Elbe und mir kaum mehr als ein handbreit Abhang und das Adrenalin schießt eins, zweimal gut in die Höhe.
Aber gerade deshalb ist es wunderschön. Ein anspruchsvoller Weg ohne Verkehr in absoluter Ruhe. Links Fluss, rechts Wald. So geht es mehrere Stunden an der Elbe entlang. Wie sehr ich das vermisst habe. Hier gibt es zwar keine Punkte für die Bergwertung, aber jede Menge Regeneration und Fahrspaß. Rondolf fährt sich herrlich und meistert alle Hindernisse 1A!
Der Bodenbelag wechselt später auf perfekt ausgebauten, asphaltierten Radweg, der sich romantisch durch die Auenlandschaft windet. Auf der linken Seite erscheint eine Pferdekoppel und ich sehe, wie sich die Pferde vor einer tiefschwarzen Wolkenwand instinktiv zusammenstellen.
Da ich die ganze Zeit im Schutz der Bäume geradelt bin, hatte ich den Horizont nicht im Blick. Zudem empfand ich den Rückenwind als recht angenehm. Ich schlucke und hoffe, dass mich die Regenwolken verschonen, als ein Platzregen niedergeht, der sich (mich) gewaschen hat. Ich spurte zu dem nahen Bauernhof - vielleicht ein Unterschlupf, bis das Gröbste vorbei ist.
Zum Glück drückt der Wind den Regen stark von Westen gegen das Haus, so dass ich im Windschatten des Hauses kaum einen Tropfen abbekomme. Rasch ziehe ich mir die Regensachen an.
Nachdem ich vollständig eingepackt das Rad besteige, tröpfelt es nur noch. “Wie immer!” spotte ich, behalte jedoch die Klamotten an. Es hat deutlich abgekühlt, zahlreiche Pfützen haben sich gebildet und unter den Bäumen regnet es noch spürbar nach.
Wenige hundert Meter weiter höre ich ein lautes Rauschen. Ich vermute ein Auto, das hinter mir auf einen günstigen Moment für das Überholmanöver wartet. Ich drehe mich um und sehe in der Ferne, wie sich die Bäume biegen. Der Himmel ist noch dunkler. Zudem zucken Blitze aus der rabenschwarzen Masse.
Man sieht förmlich die Sturmfront übers Land wüten, dennoch überlege ich noch: “ob der Wind auch hier her kommt?” denn plötzlich ist es seltsam windstill.
Natürlich tut er das. Plötzlich bricht das Chaos los. Ein Orkanböe packt mich fest und reißt mich mit. Ich fahre aus dem Stand 17 km/h. Dicke Regentropfen peitschen in mein Gesicht, mäandern durch jede Ritze meiner Kleidung. Diesmal ist kein Unterschlupf in Sicht. Also Flucht nach vorne! Schnell folge ich dem Radweg und biege zur Elbe ab.
Dort breitet sich mir das ganze Ausmaß der Situation aus: die Elbe tobt. Sonst - mit 13cm Gefälle pro Kilometer - ein ruhiger Zeitgenosse, preschen nun Wellen den Strom hoch, Äste fliegen durch die Luft, tiefes Donnergrollen über mir und ich bin mittendrin.
Die erste Rast mache ich dann gegen 14 Uhr weit hinter Nymburk. Der Donner zieht weiter.
Um 16 Uhr beende ich nach 70 Kilometern und 5:30 Stunden im Sattel die heutige Tour in Kolín, genieße den Schnitzelabend im “Rabiner” und gehe zufrieden ins Bett.
Ort: Penzion U Rabína, Kolín 2, Středočeský, Czech Republic GPS: 50.027530670166016, 15.199185371398926