Donnerstag, 4 Juni 2009#
Tiefpunkt im Stauseetal#

Die gestrige Tour fordert ihren Tribut. Trotz ruhiger Nacht und gutem Frühstück geht heute erstmal gar nichts. Die Beine machen bei der ersten Belastung dicht. Zudem hab ich keinen blassen Schimmer, wie ich aus diesem (überaus trostlosen) Tal jemals herauskommen soll.
Außer einer “Non-stop-Dancing”-Bar (Puff), einer als Hotel getarnten Spielhölle und unzähligen verlassenen Gebäuden ist hier nichts. Wie mag der Ort in besseren Zeiten dagestanden haben? Ein Schauer durchzieht mich und ich fühle mich gefangen.
Ich mache das, was ich bis jetzt immer in solchen Momenten gemacht habe: ich suche mir einen möglichst windgeschützten sonnigen Sitzplatz, stelle das Rad sicher ab, trinke und schaue in die Gegend. Über eine Stunde sitze ich da, schaue den Autos, Bussen und Kleintransportern zu, die an mir vorbeiflitzen und warte.
Der Kopf ist leer? Voll? Keine Ahnung. Die Gedanken kreise hauptsächlich darum: wie bin ich bloß hierher gekommen? Wie komme ich hier wieder raus? Wo liegt der Weg, dem ich folgen soll? Wie komme ich nach Prag? Will ich da überhaupt hin?
Ich spüre, dass ich einen waschechten inneren Konflikt austrage: es hat viel mit Prag zu tun und damit, dass ich die ganze Zeit über wie verrückt versuche, dort hinzukommen. Andererseits bin ich fast schon zu weit weg. Irgendein magisches Band scheint zwischen mir und dieser Stadt zu liegen. Ich fasse den Entschluss, diese Stadt nicht weiter zu berücksichtigen und weiter Brno anzusteuern, was ich schon eh intuitiv die ganze Zeit über schon tue.
Mich durchfährt ein Ruck. Ich schieß ein Foto von mir und Rondolf und fahre den Weg, der plötzlich wieder klar vor mir liegt.
Langsam und kontrolliert nehme ich die Steigung, die gar nicht mehr weh tut, und finde auf einer ruhigen Straße schnell aus dem Tal heraus. In kleinen Gängen pedalliere ich Kilometer für Kilometer ab - stur nach meinem Rhythmus - und überwinde so die erste, zweite und dritte Schmerzgrenze, bis sich so was wie ein “Runners-High” einstellt.
Der Fettstoffwechsel läuft auf vollen Touren und es macht sogar wieder Spaß. Dennoch bin ich froh, als ich das Schild zum Campingplatz entdecke, auf dem ich völlig fertig binnen Sekunden tief einschlafe.
Ort: Solenice , Solenice, Solenice, Czech Republic GPS: 49.612613677978516, 14.189573287963867